: Fernsehen oder Geige
Über die unglaublichen Möglichkeiten von Musik an der Schule – ein Interview mit Johannes Luig. Er probte, organisierte und dirigierte Mozarts Krönungsmesse
taz: Sie haben die Krönungsmesse von Mozart mit Schülern aufgeführt, ziemlich mutig.Johannes Luig: Ja.
Muss man als Musiklehrer nicht ein wenig bescheidener sein?Der Chor hat das doch wunderbar geschafft. Für das Orchester hatten wir uns Profis dazugekauft.
Musik hat lange an den Schulen ein Mauerblümchen-Dasein geführt, fiel oft aus, weil Lehrer für angeblich Wichtigeres gebraucht wurden.Ich habe vor fünf Jahren gehört, es fehlen Musiklehrer, da habe ich gedacht: Wenn Bedarf da ist, dann gehe ich doch in die Schule. Ich hatte Musik studiert, vor fünfzehn Jahren, aber da gab es keine Stellen, so war freischaffender Sänger und Gesangslehrer. Das hat mich dann doch gereizt. Als Musiklehrer hat man ja unglaubliche Möglichkeiten an der Schule, viel mehr als irgendein anderer Lehrer.
Warum?Man kann solche Projekte machen wie diese Messe. Man kann sie für Dinge begeistern, wo sie Höchstleistungen bringen können, das sprengt den normalen Rahmen von Schule, wo alles immer strukturiert ist, wo alles kleinschrittig getan wird. ein Arbeitsbogen nach dem anderen, bis alle eingeschlafen sind. Solche Projekte fordern die Schüler, zunächst muss man vor allem selbst glauben, dass sie es können, man muss natürlich auch selber Ahnung davon haben.
Deswegen große Projekte – um sie zu fordern?Ja. Ich hatte auch Hair überlegt, aber das ist viel zu leicht für die.
Die meisten der Schüler haben doch vorher selten bis nie eine Mozart-Messe gehört. Ich habe das mir früher, als ich so alt war, auch nicht angehört. Erst als ich selber musiziert habe, hat mir das etwas bedeutet und die Popularmusik, die so leicht ins Ohr geht, wurde mir langweilig. Man muss in die klassische Musik eindringen. Die Schüler haben nichts mehr gegen „Credo in unum Deo“, wenn sie die Melodien selber singen.
Die Waldorf-SchUnglaubliche Möglichkeiten an der Schuleule hat das Requiem von Mozart aufgeführt.
Das ist natürlich eine ganz besondere Schule. Die legen einen unglaublichen Wert auf die kreativen und künstlerischen Dinge und auch den Instrumentalunterricht. Die Eltern unterstützen das. Eine Idealvorstellung. Ich bin aber bewusst nach Obervieland gegangen, ich wollte nicht in einen Haufen von Erleuchteten. Die Arbeit hier in Obervieland ist notwendiger.
Unterstützung von den Eltern gibt es nicht?Es gibt Eltern, die sind ganz begeistert, andere schauen verwundert. Das ist mir wirklich passiert: Da sagt eine Schülerin, ich konnte nicht Geige üben, mein Vater wollte Sportschau gucken. Aber gerade deswegen haben diese Kinder es doch verdient, dass man sich um sie kümmert. Oder?
Das da auch Jungs mitgesungen haben in dem Chor, ist ja erstaunlich.Ach, die Bässe, die haben anfangs keinen Ton nachsingen können. Und dann sind sie eingestiegen. Ich bin ja selber Mann. Wenn man weiß, wie singen geht, dann kann man von den Urfunktionen der Stimme her – rufen, jammern, schreien – einen leichten Zugang vermitteln. Mädchen waren vielleicht jahrelang im Schulchor, treffen eher die Töne, aber es ist nicht so energetisch. Die Jungs zu packen macht mir am meisten Spaß.
Sie hatten im Sopran eine Schülerin als Solistin.
Das ist natürlich meine ganze Leidenschaft, die rauszupicken, die so gut sind, dass sie auch ein Solo singen können. Die Altistin war Schülerin vom Leibnitzplatz. Der Bass war mit einem angehenden Musiklehrer besetzt, an der Uni habe ich einen Lehrauftrag für Gesang.
... und trainieren Ihren Musiker-Nachwuchs?Es ist schon interessant, zu schauen, wer da so kommt, wer die neuen Musiklehrer sind. Das Niveau der Bremer Musiklehrerausbildung ist nicht vergleichbar mit dem anderer Universitäten. Früher gab es überhaupt keine Aufnahmeprüfung im künstlerischen Bereich, aber wenn man etwas selber nicht kann, kann man es auch niemandem nahebringen. Da kommen in den Popularbereich Studenten, die können ein paar Akkorde auf der Gitarre, die können Schlagzeug, aber haben noch nicht einmal in einem Chor gesungen. Die kommen dann in die Schule, auch ans Gymnasium, und können nichts vermitteln als ihre Popularmusik. In anderen Bundesländern wäre das undenkbar, da müssen Lehramtsstudenten künstlerisches Niveau erreichen, um es dann auch vermitteln zu können. Wenn man etwas nicht kann, hat man auch keinen Mut, etwas aufzuführen. Und bei der Auswahl von Musiklehrer geht es dann leider auch nicht darum, ob sie künstlerisch etwas vermitteln können, sondern ob sie die pädagogischen Tricks drauf haben, mit denen man eine Stunde umbringt. Fragen: kawe