jens lehmann
: Nachspielzeit

Jens Lehmann wird also der Deutschen WM-Torhüter sein. Die Schlagzeilen jedoch gehörten am Tag nach der Entscheidung nicht ihm. Jens Lehmann stand auch am Tage seines größten Sieges wieder einmal im Schatten Oliver Kahns. Während um Kahn herum das große Gefühlstheater inszeniert wurde, wirkten die Worte, die aus London nach Deutschland drangen, eher prosaisch. Das Victory-Zeichen indes wurde von Kahn gezeigt, nicht von Lehmann.

Lehmann ist vor zwei Wochen Vater einer Tochter geworden. Im Vergleich dazu sei ihm die Beförderung durch den Bundestrainer weniger wichtig: „Es gibt Größeres“, sagte er, „ die Geburt meiner Tochter Lieselotta war für mich natürlich bedeutender.“ Lehmann scheint noch so etwas wie ein Privatleben zu besitzen.

Seine Existenz als Sportler findet derweil auf großer Bühne statt. Auch wegen Lehmanns Leistung steht Arsenal London im Halbfinale der Champions League. Seine Paraden im Achtelfinale gegen Real Madrid haben ihn endlich zum Helden der Arsenal-Anhänger gemacht. Das war lange Zeit nicht so. Der Mann, der in der vergangenen Saison von seinem Clubtrainer Arsène Wenger für mehrere Wochen zum Ersatztorhüter degradiert worden war, wird endlich gefeiert. Nach schlimmen Patzern, die einen Torwart immer auch zur Witzfigur verkommen lassen, fand er sich damals auf der Bank wieder.

Lehmann war vollends zum Ergänzungsspieler geworden. Dennoch gab er sich selbstbewusst, formulierte Kaugummi kauend seinen Anspruch auf die Rolle als Deutschlands Nummer eins. Er positionierte sich. Hätte er es nicht getan, vielleicht wäre er irgendwann gar nicht mehr vorgekommen in der öffentlichen Wahrnehmung.

Er hat es also geschafft. Der Druck, der nun auf ihm lastet, hat erheblich zugenommen. Er muss beweisen, dass sich Jürgen Klinsmann richtig entschieden hat. Seine Spiele in der Premier League – gestern spielte Arsenal bei Manchester United (bei Redaktionsschluss nicht beendet) – werden kritischer beäugt denn je. Das Torwartduell befindet sich in der Nachspielzeit. Druck habe ihm immer gut getan, sagt Lehmann dazu. Auch ein gewisser Kahn hat das stets gesagt.

ANDREAS RÜTTENAUER