: „Keinen Cent für Barrieren“
TEILHABE Der Fachtag der Landesarbeitsgemeinschaft Selbsthilfe erarbeitet Forderungen für einen landesweiten Aktionsplan zur praktischen Umsetzung der Behindertenrechts-Konvention
Weniger als ein Prozent der ReferendarInnen im bremischen Schuldienst haben eigene Erfahrungen mit Behinderung. Könnte die Inklusion im Bildungsbereich nicht in der Praxis wesentlich besser funktionieren, wenn sie auch auf Seiten der Lehrkräfte vorgelebt würde?
Dies ist eine von vielen Fragen, die in der Bürgerschaft den Fachtag der Landesarbeitsgemeinschaft Selbsthilfe beschäftigte. Seit vier Jahren ist die Behindertenrechts-Konvention, auf die auch der Anspruch auf schulische Inklusion basiert, in Deutschland geltendes Recht – das auch auf Landesebene nach und nach umgesetzt werden muss. Auf dem Fachtag machten sich Betroffene und andere ExpertInnen nun Gedanken, was in einen entsprechenden Bremer Aktionsplan einfließen soll.
Deutlich wurde: Bereits in den diversen Berufsausbildungen muss der Anspruch behinderter Menschen auf gesellschaftliche Teilhabe verankert werden. Zum Beispiel solle Barrierefreiheit Teil der Architekten-Ausbildung sein, forderte eine Arbeitsgruppe. Unter dem Motto „Keinen Cent für Barrieren“ firmiert die Idee, Subventionen an Sportvereine und andere Zuwendungsempfänger der öffentlichen Hand mit der Maßgabe der Barrierefreiheit zu verbinden.
In den Niederlanden sind kostenlose Gebärdensprachkurse für die Angehörigen von Taubstummen selbstverständlich – in Bremen soll das nach Ansicht der Fachtag-TeilnehmerInnen auch so sein.
Was kann das Leben noch erleichtern? Hausordnungen in leichter Sprache und Fahrstühle, die umgehend repariert werden – damit man als RollstuhlfahrerIn nicht tagelang in seiner Wohnung festsitzt.
Ein weiterer wichtiger Punkt, über den sich Nicht-Betroffene vermutlich wenig Gedanken machen: Wer als behinderter Mensch, der im Alltag auf eine Assistenz angewiesen ist, ins Krankenhaus kommt, hat dort ein Problem. Die Kassen gehen von einer stationären Rundumversorgung der PatientInnen aus und unterbrechen deswegen die Finanzierung der Assistenz. In der Realität, sagt Christian Hillebrand von der Werkstatt Bremen, seien die Krankenhäuser in dieser Situation aber oft überfordert – auf Kosten der behinderten PatientInnen.
Auch andere Details im Leben gehandicapter Menschen sind tückisch – etwa die Frage der gesetzlich festgelegten Behindertenquoten in größeren Betrieben. Denn die würden, sagt der Landesbehindertenbeauftragte Joachim Steinbrück, oftmals dadurch „belegt“, dass schon vorhandene „spätbehinderte“ MitarbeiterInnen weiterbeschäftigt würden. Das sei einerseits richtig und wichtig – andererseits seien so kaum Neueinstellungen von behinderten Menschen möglich. Steinbrück betont: „Wir müssen beides ermöglichen.“
HENNING BLEYL