Schwachsinn oder ganz normal?

Dementis und Diskussionen nach Berichten über US-Kriegsplanungen gegen Iran

BERLIN taz ■ Nach Berichten über den geplanten Einsatz bunkerbrechender Atomwaffen bei einem US-Militärschlag gegen den Iran standen gestern Dementis und Aufrufe zur Diplomatie auf der Tagesordnung. Der britische Außenminister Jack Straw sagte gegenüber der BBC, die Berichte seien „völliger Schwachsinn“. Dan Bartlett, ein höherer Berater des US-Präsidenten George W. Bushs, nannte den Bericht „schlecht informiert“. Die US-Regierung betreibe nur „normale Verteidigungs- und Geheimdienstplanungen“.

Gemeint ist ein neuer Text des US-Investigativjournalisten Seymour Hersh in der Zeitschrift The New Yorker (www.newyorker.com). Darin schreibt Hersh, das Pentagon und das Weiße Haus arbeiteten nicht nur weiter an der Vorbereitung möglicher Militärschläge gegen den Iran, entgegen der Wünsche der militärischen Stabschefs werde auch die Option, dabei atomare bunkerbrechende Waffen einzusetzen, nicht ausgeschlossen.

Offiziell hat die US-Regierung bislang zwar stets betont, auch einen Militärschlag nicht auszuschließen, um die iranische Regierung von ihrem mutmaßlichen Atomwaffenprogramm abzubringen. Doch strebe die US-Regierung eine diplomatische Lösung an.

In Teheran bezeichnete der Sekretär des nationalen iranischen Sicherheitsrates, Ali Laridschani, die Berichte als „psychologischen Krieg“. „Trotzdem sind wir vorbereitet, angemessen auf jedwede Attacke zu reagieren“, sagte Laridschani gestern in Teheran.

In der Europäischen Union fielen die Reaktionen verhalten aus. Der EU-Außenbeauftragte Javier Solana sprach sich gestern dafür aus, auch den Einsatz von Sanktionen im Streit mit dem Iran zu erwägen, wollte aber keinerlei Debatte über einen Militäreinsatz: „Das ist für uns definitiv ausgeschlossen“, sagte Solana am Rande des EU-Außenministertreffens in Luxemburg. Zu möglichen Sanktionen zählte Solana etwa Einreiseverbote für iranische Regierungsvertreter.

Der frühere Chef des US-Zentralkommandos, General Anthony Zinni, warnte die US-Regierung am Sonntag vor einem Angriff auf den Iran. „Wir sollten uns nicht täuschen lassen und denken, dass es hier nur um einen Militärschlag geht, und dann ist es vorbei.“ Im Falle eines Angriffs würde sich der Iran wehren, und er habe dafür „viele Möglichkeiten in Bereichen, bei denen wir verwundbar sind“, sagte Zinni.

Zinni ist nicht der Einzige, der sich bemüht, mögliche Folgen und Ausmaß eines denkbaren US-Militärschlags abzuschätzen. Hersh zitiert in seinem New-Yorker-Artikel den Militäranalytiker Sam Gardimer, der davon ausgeht, allein 400 Ziele im Zusammenhang mit dem Atomprogramm müssten getroffen werden – und viele weitere gleich mit.

Und schon im Februar veröffentlichte die Oxford Research Group ein Hintergrundpapier von Paul Rogers, Friedensforscher an der Universität Bradford, der sich detailliert damit auseinander setzt, wie ein Militärschlag aussehen müsste, um nicht nur dem iranischen Atomprogramm möglichst großen Schaden zuzufügen, sondern auch die Rückschlagsfähigkeiten des Iran gegen US-amerikanische Ziele in der Region, den Schiffsverkehr im Persischen Golf und Israel so gering wie möglich zu halten (www.oxfordresearchgroup.org.uk). Er kommt zu dem Schluss, dass eine militärische Option keine reale Chance auf Erfolg hat.

BERND PICKERT