: Gutachtenbewertung im Geiste Schills
ABSCHIEBEPRAXIS Die Hamburger Ausländerbehörde unter schwarz-grüner Ägide arbeitet bei Abschiebungen kranker Flüchtlinge nach den Prämissen, die im Jahr 2001 der Rechtspopulist Ronald Schill aufstellte
Die schwarz-grüne Abschiebepraxis kranker Flüchtlinge in Hamburg, denen Fachärzte ein Abschiebehindernis attestierten, erfolgt noch immer auf der Basis einer Dienstanweisung, die 2001 unter dem rechtspopulistischen Innensenator Ronald Schill erlassen worden ist. Das geht aus der Antwort auf eine kleine Anfrage der Linkspartei hervor. „Das ist ein handfester Skandal“, sagt Innenpolitikerin Christiane Schneider von der Linkspartei.
Hinzu komme, dass Atteste seit 2002 nicht mehr von Amtsärzten der Stadt überprüft würden, sondern von zwei Ärzten des medizinischen Dienstes der Ausländerbehörde, deren Objektivität selbst von der Ärztekammer in Frage gestellt wurde. Seit Jahren werde kritisiert, so Schneider, „dass die Ausländerbehörde bei Zweifeln an den Attesten keine Fachärzte oder Amtsärzte für ein Zweitgutachten konsultiert“. Aus der Dienstanweisung „Umgang mit ärztlichen Attesten“ – die der taz vorliegt – geht hervor, dass Atteste generell anzuzweifeln seien. „Geht es allein um die Frage der Reisefähigkeit, ist zu berücksichtigen, dass diese für einen Flug von Hamburg in ein Heimatland fast immer hergestellt werden kann“, heißt es. In solchen Fällen sei über ärztliche Begleitung nachzudenken. Auch könnten entsprechend erforderliche Medikamente mitgeführt werden.
Eine besondere Situation sei gegeben, wenn von einem Arzt eine psychische Erkrankung und eine latente Suizidgefährdung nicht ausgeschlossen werden könne, so die Direktive. Hier könne einer Gefährdung dadurch begegnet werden, dass bei der Abschiebung „lückenlos“ eine ärztliche Überwachung stattfinde. „Erforderlich ist in diesen Fällen, dass eine frühmorgendliche Begleitung ohne vorherige Ankündigung des konkreten Reisetermins erfolgt.“
Die Linkspartei fordert von Schwarz-Grün, unverzüglich die Dienstanweisung aufzuheben und fachärztliche Gutachten von Ärzten der Flüchtlinge anzuerkennen. KAI VON APPEN