Barbara Bollwahn über ROTKÄPPCHEN
: Die Kommunisten verfolgen mich

Vom Wedding über Kreuzberg und Neukölln nach Friedrichshain – wo ich auch hinziehe, war und ist die KPD schon da

Meine erste eigene Wohnung in Westberlin lag im Wedding. Gerade dem Sozialismus und dem drohenden Kommunismus entronnen, landete ich ausgerechnet in dem Stadtteil, der auch der „Rote Wedding“ genannt wird. In der Weimarer Republik war die Ecke eine Hochburg der Arbeiterparteien. Kurz nach dem „Blutmai“ 1929 hielt die KPD ihren XII. Parteitag dort ab. Noch dazu erblickte der ehemalige Stasichef Erich Mielke das Licht der Welt im Wedding.

Ich sah es als Ironie der Geschichte. Außerdem konnte ich nicht wählerisch sein. Anfang der 90er-Jahre wollte alle Welt nach Berlin, Wohnraum war knapp, und ich war froh, drüben eine Bleibe ergattert zu haben. Doch meine Begeisterung über die Wohnung hielt sich in Grenzen. Denn sie war keineswegs so, wie ich mir den wohlhabenden Westen vorgestellt hatte. Eigentlich sah es aus wie im Osten: an der Decke hässliche Holzverkleidungen, auf dem Boden hässlicher grauer Teppichbelag, auf dem Hof jede Menge Müll. Der einzige Trost bestand darin, dass ich auf den Straßen vieles sah, was ich bisher nicht kannte: Sozialhilfeempfänger, Arbeitslose, Türken, Araber, Kampfhunde.

Als ich mich daran satt gesehen hatte, zog ich weg aus dem Roten Wedding. Nach Kreuzberg, wo es die KPD nur mit dem Zusatz „RZ“ gibt und für die Spaßpartei „Kreuzberger Patriotische Demokraten/Realistisches Zentrum“ steht. Plötzlich war ich mittendrin im bürgerlichen Multikulti. In meinem Haus war ein arabischer Imbiss. Schnell freundete ich mich mit Ahmed und seinen Falafeln an. Dass er nachts stundenlang im Keller unter meinem Wohnzimmer Petersilie hackte, störte mich nicht. Dass er mich ständig drängte, seinen illegalen Mitarbeiter Hasan zu heiraten, damit er in Deutschland bleiben konnte, erinnerte mich an meine Hochzeitsbemühungen mit einem Westler vor dem Fall der Mauer.

Problematisch war einzig die türkische Großfamilie, die nebenan wohnte. Mein Schlafzimmer und ihre Küche trennte nur eine dünne Wand. Jeden Morgen wurde ich lange vor dem Weckerklingeln von den lauten Gesprächen am Frühstückstisch geweckt. Als ich mich eines Tages mit einem Hämmern gegen die Wand und einem entschiedenen „Ruhe!“ beschwerte, ergriff die sonst stille türkische Mutter das Wort. „Aufstehen!“, rief sie im Befehlston, „sieben Uhr!“ Ich wollte mir nicht schon wieder vorschreiben lassen, was ich zu tun und zu lassen habe, und zog weg.

Nach Neukölln in die Sonnenallee. Wie der Zufall es wollte, wieder in ein ehemals rotes Viertel, das mittlerweile auch gern die Bronx Berlins genannt wird. Die wollte ich mir mal aus der Nähe anschauen. Zu meiner großen Überraschung sah ich kurz nach meinem Umzug, dass eine der Haupteinkaufsstraßen nach Karl Marx benannt war. Verantwortlich für den kommunistischen Straßennamen in diesem ehemaligen Westsektor waren natürlich die damals einflussreichen Kommunisten. Außer mir schien sich niemand daran zu stören. Ganz im Gegenteil.

Kurze Zeit nach mir zog der Grünenpolitiker Cem Özdemir in das Dachgeschoss des Hauses hinter der Karl-Marx-Straße ein. Vor seinem Einzug baute ihm der Hausbesitzer aus Sicherheitsgründen eine Wohnungstür aus dickem Eisen ein. Nach seinem Einzug wartete jeden Morgen ein Dienstwagen mit stramm stehenden Bodyguards vor dem Haus. Ihm hielten sie eilfertig die Autotür auf, mich grüßten sie nicht mal. Diese Ungleichbehandlung stieß mir übel auf. Ich zog nach Friedrichshain und damit zurück in den Osten.

In dem noch wenig sanierten Viertel sind die Mieten erschwinglich und die Lebensfreude ist ein bisschen größer als in Neukölln. Aber wohin ich auch ziehe, stets waren die Kommunisten schon da oder treiben noch immer ihr Unwesen. Eine der ältesten Kneipen bei mir in der Ecke heißt „Die Tagung“, ein Sammelsurium aus DDR-Reliquien, Club-Cola und je nach Versorgungslage gutem kubanischem Rum. Im vergangenen Jahr feierte die KPD ihren XXIV. Parteitag unter dem Motto „Feste Einheit, entschlossener Kampf, beharrliche Arbeit“ in Friedrichshain. Mal sehen, wie lange ich es dort aushalte.

Fragen zur KPD kolumne@taz.de Morgen: Barbara Dribbusch GERÜCHTE