Auch Sieger Prodi ist lädiert : KOMMENTAR VON MICHAEL BRAUN
Totgesagte leben länger. Silvio Berlusconi konnte während der vergangenen Wochen reihenweise politische Nachrufe auf seine Person lesen, auf den „Gescheiterten“, auf den „Entzauberten“, der nun vor einer unrühmlichen Abwahl stehe. Abgewählt wurde er tatsächlich – nicht aber entzaubert. Stattdessen verwandelte er die Wahlschlacht in ein neues Kapitel des bei seinen Anhängern weiterhin allzu populären Heldenepos „Silvio gegen die rote Gefahr“: Statt den erwarteten Einbruch zu erleben, blieb er lächerliche 0,2 Prozent unter seinem Resultat von 2001 – auf der Rechten also nichts Neues in Italien.
Neu präsentiert sich dagegen die Linke. Berlusconi verlor diesmal, weil Prodi ausnahmslos alle Oppositionskräfte hinter sich vereinte. Berlusconi mochte in den Wahlkampfwochen Boden gutgemacht haben, doch es reichte nicht: Das Mitte-links-Bündnis war einen Tick stärker. Trotz des minimalen Abstands ist das ein wahrhaft historisches Resultat.
Dennoch könnte sich Prodi schnell als lädierter Sieger entpuppen. Bloß zwei Stimmen Vorsprung hat seine Koalition im Senat. Das wäre kein Problem bei einer geschlossenen Koalition. Ebendas aber ist die „Unione“ Prodis trotz des verheißungsvollen Namens nicht. Statt Union herrscht in den Reihen der Mitte-links-Kräfte meist eifersüchtige Zwietracht. Schon einmal, in den Regierungsjahren von 1996 bis 2001, regierte die Mitte-links-Koalition mit einem Vorsprung von nur einer Hand voll Sitzen. Zur Gaudi des damaligen Oppositionsführers Berlusconi inszenierte die Allianz ihre Regierungsjahre als permanenten Koalitionskrach – bis sie abgewählt wurde.
Fünf Jahre werde er regieren, versicherte Prodi gestern. Das wird nur gehen, wenn die ihn stützenden Parteichefs die Lektion wirklich gelernt haben, wenn wirklich jeder Einzelne auch der Kleinpartei-Häuptlinge nicht die Profilierung des eigenen Vereins als oberste Priorität ansieht. Zwangsmittel hat der angesichts des knappen Wahlausgangs auch vom kleinsten Partner erpressbare Prodi nicht. Er kann nur auf die Einsicht hoffen, dass sein Scheitern die allzu schnelle Rückkehr der italienischen Rechten an die Macht bedeuten würde.