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Archiv-Artikel

Mädchenjahre einer Königin

HIPPEN EMPFIEHLT „Young Victoria“ von Jean-Marc Vallée ist eine historische Romanze in bester britischer Tradition, in der Queen Victoria als pubertierender Teenager auftritt

Emily Blunt ist eine gewinnende und überzeugende junge Königin – wohl auch, weil sie ein Gesicht hat, das nicht so ganz in unsere Zeit passt

Von Wilfried Hippen

Das angelsächsische Kino ist stramm royalistisch. Wie anders lässt es sich erklären, dass so gut wie jeder britische Monarch der letzten 500 Jahre mit mindestens einem Kinofilm aus England oder Hollywood beehrt wurde? Die Reihe beginnt mit den so gerne adaptierten Königsdramen von Shakespeare und spannt sich dann von Charles Laughton in der Rolle von Heinrich dem Achten aus dem Jahr 1933 bis zu Hellen Mirren als Elisabeth II in „The Queen“.

Queen Victoria wurde bereits 1997 von Dame Judi Dench in „Mrs. Brown“ verkörpert, und wohl deshalb soll bei diesem neuen Film schon der Titel anzeigen, dass hier nicht noch einmal von der steifen, matronenhaften Herrscherin in ihren späten Jahren erzählt wird. Statt dessen hüpft hier Emily Blunt als eine 17-jährige Viktoria über die Leinwand, und dabei benimmt sie sich wie ein Teenager unserer Tage: Sie ist rebellisch, will ihr Leben genießen, all die Dinge tun, von denen die anderen sagen, sie sei noch zu jung dafür und sie lebt im ständigen Konflikt mit ihrer Mutter. Nun ist diese allerdings die Herzogin von Kent, und die Zwistigkeiten in dieser Familie drehen sich nicht darum, wann die Tochter abends zu Hause zu sein hat, sondern darum, ob und wie sie als Königin regieren soll.

Ihr eher einfältiger Onkel König William (der von Jim Broadbent sehr komisch mit einer wollartigen Perücke verkörpert wird) liegt im Sterben, und ihre Mutter (eine herrisch, dünnlippige Miranda Richardson) ist dem Charme ihres hinterlistigen Beraters Sir John Conroy (Mark Strong) erlegen, der hofft, der Monarch würde noch vor Viktorias 18. Geburtstag sterben, worauf dann er als Regent faktisch die Macht übernehmen würde. Für Viktoria selber ist der erste Walzer viel aufregender – und die Pläne zu ihrer Verheiratung, bei denen eher politisches Kalkül als romantische Neigungen eine Rolle spielen.

König Leopold von Belgien (Thomas Kretschmann mit dem passenden kontinentalen Flair ) will seinen Sohn Albert mit ihr verheiraten, doch dieser will ebenfalls nicht als politische Schachfigur benutzt werden. Nun verbindet aber gerade ihre Ablehnung der arrangierten Heirat die beiden und es hilft natürlich auch, das Albert vom sehr attraktiven Rupert Friend gespielt wird. Die Romanze entfaltet sich wie in einem Roman von Jane Austen, wobei natürlich zumindest jeder britische Zuschauer weiß, dass Albert die lebenslange Liebe von Victoria wurde und diese noch 40 Jahre nach seinem Tod um ihn trauerte.

Emily Blunt, die auf der Leinwand gerade in „The Wolfman“ die titelgebende reißende Bestie mit einem jungfräulichen Kuss besänftigte, ist eine gewinnende und überzeugende junge Königin – wohl auch, weil sie ein Gesicht hat, das nicht so ganz in unsere Zeit passt. Der Regisseur Jean-Marc Vallée kann bei der Ausstattung aus dem Vollen schöpfen: er drehte natürlich an Originalschauplätzen wie neun Schlössern und Westminster Abbey. Und für die Kostüme gab es immerhin einen der diesjährigen Trost-Oscars.

Dafür, dass Hofintrige und königliche Romanze gut ausbalanciert wurden, sorgte aber der Drehbuchautor Julian Fellowes, der schon in Filmen wie „Vanity Fair“ und Robert Altmans wunderbaren „Gosford Park“ überzeugend die sozialen Strukturen vergangener Epochen nachzeichnen konnte und diese Beobachtungen immer in eine starke Geschichte einbettete. In der Reihe der Monarchenfilme gehört „Young Victoria“ nicht zu den besten. Dafür ist er zu gepflegt und zu respektvoll. So ist dem Wohl der britischen Monarchie wohl auch mit diesem Film wieder gedient: „God Save the Queen!“