Flutminister säuft ab

Große Koalition gegen Niedersachsens FDP-Hochwassermanager Sander: SPD fordert Rücktritt und Untersuchungsausschuss, auch CDU-Umweltministerium in Sachsen-Anhalt wundert sich

von Kai Schöneberg

Während die Pegel der Elbe sinken, steigt die Flut der Vorwürfe gegen Niedersachsens Landesregierung. Umweltminister Hans-Heinrich Sander (FDP) habe das Hochwasser „schlicht verpennt“, sagte SPD-Fraktionsvize Heiner Bartling. Der Minister müsse zurücktreten. Außerdem wolle die SPD einen parlamentarischen Untersuchungsausschuss einsetzen, um Defizite zu klären.

Während sich in Brandenburg bereits vor zwei Wochen Experten über das drohende Hochwasser berieten, habe man in Niedersachsen viel zu spät reagiert, betonte Bartling. „Dies hier übersteigt alles, was ich mir hätte vorstellen können“, hatte Sander bei einem Besuch vor Ort am vergangenen Freitag gesagt. Auch gestern rätselte das Ministerium, wie die seit über 100 Jahren höchsten gemessenen Pegel an der niedersächsischen Elbe zustande kommen konnten: Man wundere sich über eine „Delle“ zwischen Prognosen und Realität in Höhe von 30 Zentimetern, sagte eine Sprecherin Sanders. Ansonsten wies sie die Vorwürfe zurück.

Viel zu spät sei der Katastrophenalarm im Landkreis Lüchow-Dannenberg ausgerufen worden, der den Einsatz der Bundeswehr möglich macht, sagte Klaus-Peter Dehde, SPD-Abgeordneter aus der Region: „Das war schon fast makaber. Auf der anderen Elbseite in Mecklenburg-Vorpommern sah man die Soldaten Sandsäcke schleppen, bei uns herrschte Personalmangel“.

Sogar Sanders CDU-Kollegin in Sachsen-Anhalt, Petra Wernicke, bestätigt die Vorwürfe der SPD. „Es gab keine Nachfragen aus Niedersachsen zur Flut“, wundert sich Wernickes Sprecherin Annette Schütz. So habe Sachsen-Anhalt nur durch intensiven Kontakt mit Sachsen erfahren, dass anstatt des erwarteten kurzen Hochwassers eine langanhaltende Scheitelwelle im Anmarsch war. Aus Niedersachsen habe „niemand“ angerufen, um Genaueres über die Pegel in Sachsen-Anhalt zu erfahren.

Auch die von Sander geforderte stärkere Kooperation der Elbanrainer beim Hochwasserschutz lehnt Sachsen-Anhalt ab: „Die existierende Abstimmung ist ausreichend“, betont Schütz. Die Sachsen-Anhaltiner stützen auch die Version Brandenburgs, dass das Öffnen von Wehren oder Fluten von Poldern an der Havel Wasserstände in Niedersachsen nicht hätte senken können.

Sander hatte indirekt versucht, die Überflutung Hitzackers den Brandenburgern in die Schuhe zu schieben. Beim Hochwasser im Jahr 2002 hatte eine Flutung der Havel-Polder für eine Entlastung der Elbe flussabwärts in Niedersachsen gesorgt. In der vergangenen Woche hatten sich Brandenburg und Sachsen-Anhalt gegen diesen Schritt entschieden, da das Hochwasser vor Ort zu stark war. „Mit großer Verwunderung“ habe er zur Kenntnis genommen, dass Sander die Polder „als mögliche Ursache der Überschwemmung der Stadt Hitzacker“ ins Gespräch gebracht habe, schreibt Brandenburgs Umweltminister Dietmar Woidke (SPD) in einem verärgerten Brief. „Ich möchte Sie hiermit bitten, solchen Mutmaßungen künftig entschieden entgegenzutreten.“

Inland SEITE 7