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Archiv-Artikel

Schlappe für Silvio Berlusconi

ITALIEN Premier Enrico Letta gewinnt Vertrauensabstimmung im Parlament. Kehrtwende von Silvio Berlusconi nach massivem Druck von „Putschisten“ aus seiner eigenen Partei

Für Premier Letta ist die Zeit fauler Kompromisse mit Berlusconi definitiv vorbei

AUS ROM MICHAEL BRAUN

Italiens Ministerpräsident Enrico Letta hat bei den Vertrauensabstimmungen am Mittwoch einen klaren Sieg davongetragen. Damit könnten die Weichen in der italienischen Politik neu gestellt werden. Dieser Sieg bestand weniger in den klaren Dreiviertelmehrheiten, die Letta in Abgeordnetenhaus und Senat gewann, als in der politischen Isolierung Silvio Berlusconis, dem seine eigene Partei entglitten ist.

„Ein historischer Tag“, freute sich Letta, und Italiens Medien vergleichen den schwarzen Mittwoch Berlusconis gern mit dem 25. Juli 1943, als Mussolini stürzte. In der Tat: Ganz wie Mussolini, der von seinem eigenen Faschistischen Großrat abgesetzt wurde, wurde auch Berlusconi zum Opfer von Putschisten aus den eigenen Reihen. Diese durchkreuzten seine Konfrontationsstrategie gegen Letta und zwangen dem gerade verurteilten Steuerbetrüger am Ende gar ein demütigendes Ja in der Vertrauensabstimmung auf.

Als „Auftraggeber meines politischen Mordes“ hatte Berlusconi noch wenige Stunden vor dem Votum Regierungschef Letta und Staatspräsident Giorgio Napolitano geschmäht. Die Vertrauensabstimmung war überhaupt nur nötig geworden, weil Berlusconi seine Truppen gegen den angeblich auf dem Wege befindlichen „Staatsstreich“ mobilisiert hatte. Einen Staatsstreich, der in nichts anderem besteht, als in seiner rechtskräftigen Verurteilung und dem damit zwingend folgenden Verlust des Senatsmandats.

Deshalb wollte Berlusconi – dessen Partei seit Ende April mit Letta regiert und fünf Minister stellt – den Koalitionsbruch, deshalb nötigte er seine Ministern zum Rücktritt. Die aber organisierten eine parteiinterne Rebellion, deren Dimensionen erst am Mittwoch während der Vertrauensdebatte im Senat deutlich wurden. Nur etwa 30 der 90 Senatoren der Berlusconi-Fraktion zeigten sich bereit, ihrem Übervater zu folgen. Etwa 25 wollten für Letta stimmen, der Rest wollte der Abstimmung fernbleiben.

Vor diesem Hintergrund fasste Berlusconi den bizarren Entschluss, für jene Staatsstreich-Regierung zu stimmen, deren Sturz er doch eigentlich wollte. Eine Verzweiflungstat – allerdings eine Verzweiflungstat mit Kalkül: Anderenfalls wäre das Popolo della Libertà (PdL – Volk der Freiheit) sofort implodiert, hätten sich Partei und Fraktionen umgehend gespalten.

Doch Letta machte seinerseits umgehend deutlich, dass für ihn die Zeit fauler Kompromisse mit Berlusconi definitiv vorbei ist. Der Premier erklärte, es gebe nun eine „neue politische Mehrheit“ – nämlich die gemäßigt linke Partito Democratico, aus der Letta stammt, das Zentrum unter Mario Monti sowie die Berlusconi-Abweichler. An der weit größeren „numerischen Mehrheit“ – in der auch Berlusconi selbst mit seinen Getreuen weiterhin ist – zeigte sich Letta offen desinteressiert. Das heißt nichts anderes, als dass er in Zukunft mit diesem Teil der PdL nicht mehr verhandeln will.

Die parteiinternen Putschisten halten sich alle Optionen offen. Angelino Alfano, Innenminister und Parteisekretär der PdL, verfolgt die Strategie, Berlusconi zu einer Totalkapitulation auch in der Partei zu zwingen, in der die „Gemäßigten“ unter Alfano das Ruder übernehmen würden. Die „Falken“ würden an den Rand gedrängt. Berlusconi bliebe die Rolle des Gründervaters – mehr nicht.

Sollten Berlusconi und seine Getreuen zu einer solchen Lösung nicht bereit sein, steht weiter die Parteispaltung im Raum. Den potenziellen Spaltern schwebt schon eine weitergehende Lösung vor: die Vereinigung mit dem Zentrum Montis und die Schaffung einer neuen Christdemokratie, die als brav-bürgerliche Partei, nicht mehr als Berlusconi-Krawalltruppe Politik machen soll.