Neues Leben mitten im Tod

DOKU Sieben jüdische Kinder eint ein Schicksal – sie sind „Geboren im KZ“ (Mittwoch, 23.30 Uhr, ARD)

Manchmal, und zum Ende des Krieges immer häufiger, stockte die Mordmaschine der Nazis

„Ich habe lange gedacht, dass ich in einem Wald geboren wurde. Was für ein Ort das war, wusste ich nicht. Ich wusste nur, dass man dort Menschen gequält hat.“ Der Ort, von dem Marika Nováková spricht, sagt auch heute den meisten Menschen wenig: Kaufering bei Landsberg am Lech, der Stadt, in der Hitler „Mein Kampf“ schrieb und die im Nazi-Reich als „Stadt der Jugend“ einen makabren Ehrentitel trug. Kaufering war ein Konzentrationslager, ein Außenlager des KZ Dachau. Hier wurden Marika Nováková und sechs weitere Babys zwischen Dezember 1944 und Februar 1945 geboren – als Kinder von ins KZ gesteckten Jüdinnen.

Wenn am Donnerstag in der KZ-Gedenkstätte Dachau sechs dieser sieben Kinder erstmals in ihrem Leben zusammentreffen, um eine Ausstellung über alle sieben Mütter feierlich zu eröffnen, liegt das auch an dieser außergewöhnlichen Dokumentation von Eva Guberovà und Martina Gawaz. Sie haben, ausgehend von einem Foto, das einige der jungen Mütter mit ihren Babys nach der Befreiung des KZ durch amerikanische Truppen zeigt, angefangen zu forschen. Und stießen 2007 in Slowenien auf Eva Fleischmanová, deren Tochter Marika Nováková sich schon länger auf der Suche nach der Geschichte ihrer Geburt befand. Hierüber ergab sich auch der Kontakt zur anderen Zeitzeugin im Film, der heute in Kanada lebenden Miriam Rosenthal. Ihr Sohn, geboren im KZ, ist heute ein angesehenes Mitglied der Jüdischen Gemeinde dort.

Was sie erzählen, wie sie dem für schwangere Frauen sonst so sicheren Tod im KZ ein ums andere Mal entgehen konnten, ist so banal wie atemberaubend: Manchmal, und zum Ende des Krieges immer häufiger, stockte die Mordmaschine der Nazis.

Die Filmermacherinnen haben diese Lebensläufe behutsam eingefangen und mit zeitgenössischem Material unterlegt. Sie zeigen, wie unterschiedlich auch das Leben der Mütter und ihrer Babys nach 1945 war – im freien Kanada, und in der Slowakei, wo Eva Fleischmanová nach dem Krieg unterkam und weiter mit Antisemitismus konfrontiert war. Und sie vollbringen zwei kleine Wunder: Eva Fleischmanová spricht erstmals vor der Kamera und zu ihrer Tochter über diesen „Wald“, wo sie und ihre LeidensgenossInnen in Erdhütten vegetieren mussten. Und Miriam Rosenthal redet zum ersten Mal auf Jahrzehnten wieder in der Sprache der Täter, auf Deutsch.

STEFFEN GRIMBERG