: Weniger ist nichts
Hohl sind die Phrasen der Bundesregierung: Sie will de facto das Geld gegen rechts kürzen
VON ASTRID GEISLER, FELIX LEE UND MAURITIUS MUCH
Uwe Schubert arbeitet für ein Projekt, das es womöglich bald nicht mehr gibt. Es ist die Mobile Beratung gegen Rechtsextremismus in Thüringen. Gut möglich, dass das Büro in Gotha zum Jahresende abgewickelt wird. Uwe Schubert, Vater zweier Kinder, wäre arbeitslos. Genau wie seine fünf Kollegen. „Dann können wir alle sehen, wo wir bleiben.“ Er lacht bitter. „Ich will mir nicht vorstellen, dass die das wirklich durchziehen.“
Die – das ist die schwarz-rote Bundesregierung, genauer das Familienministerium. Das Haus von Ursula von der Leyen (CDU) tüftelt an einem Konzept, wie das zum Jahresende auslaufende Bundesprogramm gegen Rechtsextremismus ab 2007 fortgesetzt werden soll. Was den von der Regierung unterstützten Initiativen bisher über die Pläne zu Ohren gekommen ist, lässt sie Böses befürchten. „Es gibt keine Zusagen für unsere Arbeit“, sagt Schubert. „Gar nix.“
Merkwürdig. Gestern ließ Kanzlerin Angela Merkel (CDU) ihren Sprecher sagen, sie sei „erschüttert“ über den Angriff auf den 37-jährigen Schwarzen in Potsdam. In den Haushaltsberatungen müssten Antworten auf die erkennbar besondere Herausforderung durch den Rechtsextremismus gefunden und deutliche Zeichen gesetzt werden.
Angesichts solcher Worte können sich Rechtsextremismus-Projektleiter nur Augen und Ohren reiben. Zum Beispiel Lorenz Korgel, Koordinator aller Mobilen Beratungsteams in Deutschland. Während Merkel ihre Hilfebotschaft verkünden ließ, saß er beim zuständigen Staatssekretär Hermann Kues (CDU) im Bundesfamilienministerium, um über die Zukunft der Arbeit von Mobilen Beratungsteams und Opferberatungsstellen in Ostdeutschland zu reden. Sein Fazit: „Das ist schon sehr absurd. Die sagen natürlich: Ihr seid total wichtig. Aber die Bundesregierung fühlt sich für die Förderung unserer Arbeit nicht mehr zuständig. Die wollen sich daraus zurückziehen.“ Begründung: Im föderalen Staat habe der Bund nur eine „Anregungsfunktion“ wahrgenommen. Nach sechsjähriger Förderung im Rahmen der Civitas-Programme müssten nun Länder und Kommunen diese „Strukturprojekte“ übernehmen.
Ein Arbeitspapier des Familienministeriums vom 26. März, das der taz vorliegt, stützt diese These. Demnach soll das neue Programm gegen „jede Form von Extremismus“ gerichtet sein. Also zugleich auch gegen Linksextremismus und Islamismus. Das hieße: Selbst wenn es bei der Förderung von 19 Millionen Euro jährlich bleibt, bliebe für die Arbeit gegen rechts weniger übrig.
Sparen will die Regierung offenbar ausgerechnet bei den zentralen Anlaufstellen in der Arbeit gegen Rechtsextremismus in Ostdeutschland – bei Mobilen Beratungsteams, Opferberatungsstellen, Civitas-Netzwerkstellen in der Provinz. Sie tauchen in dem Konzept nirgendwo mehr auf. Nach seinem Gespräch im Familienministerium ist Projektleiter Korgel sicher: Dies alles sei nicht nur wolkig formuliert. Es sei auch der Versuch, die Arbeit vom Bund auf niedrigere Ebenen zu verlagern.
Monika Lazar, Rechtsextremismus-Fachfrau der Grünen im Bundestag, kennt den Streit aus den jüngsten Ausschussberatungen. Das nach dem „Aufstand der Anständigen“-Sommer aufgelegte Programm sei von Rot-Grün in der Tat als befristete Modellförderung gedacht gewesen, sagt sie. „Die Regierung ist in Vorkasse gegangen, in der Hoffnung, dass die Länder folgen.“ Inzwischen seien einige Landesregierungen und Kommunen tatsächlich aktiv geworden. Aber sie geben meist weniger als der Bund – und längst nicht alle.
Die Hoffnungen ruhen jetzt auf der SPD, dass sie die Pläne des Ministeriums stoppt. SPD-Rechtsextremismus-Sprecher Niels Annen verspricht: Seine Fraktion wird einer faktischen Kürzung der Gelder gegen rechts in keinem Fall zustimmen: „Vor allem die Netzwerkstellen und Mobilen Beratungsteams haben sehr gute Ergebnisse vorzuweisen.“
Das Dilemma: Gerade in besonders betroffenen Regionen wie Ostvorpommern oder der Sächsischen Schweiz seien die Kommunen Teil des Problems, sagt Anetta Kahane von der Amadeu Antonio Stiftung, die selbst Projekte gegen rechts unterstützt: „Die wollen gar nicht wahrnehmen, dass sie ein Problem mit Rechten haben.“
Berlin, das Mobile Beratungsteam und Opferberatungsstellen kofinanziert, hat bereits signalisiert: „Die Oberkante ist erreicht.“ Das Land könne das Fehlen einer Bundesförderung nicht auffangen. Noch schlimmer Thüringen: Das Land steckte noch nie einen Euro in die Projekte. Berater Schubert kennt den Grund: „Es findet explizite Arbeit gegen Rechtsextremismus unnötig.“