piwik no script img

Archiv-Artikel

„Alle sind beschädigt“

THEATER Intendant und Regisseur sprechen über das umstrittene Stück „Unschuld“ von Dea Loher

Michael Börgerding

■ 53, war sieben Jahre lang Direktor der Theaterakademie in Hamburg, bevor er 2012 Generalintendant des Theaters Bremen wurde.

taz: Herr Börgerding, heute wollte die Dramatikerin Dea Loher zum „Theatertreffen“ kommen, um über ihr Stück „Unschuld“ zu sprechen ...

Michael Börgerding: Sie hat nach der Premiere aber abgesagt – ohne Begründung. Ich kann das verstehen, nach der Aufregung.

Sie selbst hat die weitere Aufführung ihres Stückes verhindert, weil eine ihrer Ansicht nach zentrale Figur in der Bremer Inszenierung fehlt. Da wäre ihre Sicht doch interessant.

Das sehe ich genauso.

Ist der Umgang mit Theaterautoren und ihren Texten schwieriger als früher?

Das ist unterschiedlich. Es gibt auf der einen Seite Tennessee Williams, wo man jede Veränderung vorab klären muss, und es gibt auf der anderen Seite Leute wie Elfriede Jelinek, die sehr offensiv sagen: Macht mit unseren Texten, was ihr wollt. Dazwischen gibt es alle Schattierungen. Das Urheberrecht deckt dabei immer den Autoren.

Hätte das Theater nicht mehr um seine Version dieses modernen Klassikers kämpfen sollen, statt einfach der befreundeten Autorin nachzugeben?

Zuerst wurden wir angegriffen, weil wir das Stück ohne die „Ella“ auf die Bühne gebracht haben, jetzt kommt der Vorwurf, wir geben klein bei. Zugleich wird die Auseinandersetzung nun aufgebauscht – das Ganze hätte man auch ohne Presse regeln können, ohne dass es jemand groß bemerkt hätte. Diese Inszenierung steht und fällt nicht mit dieser Figur. Aber jetzt sind alle beschädigt: Dea Loher als Autorin, weil sie nun als überempfindlich gilt, aber auch das Theater Bremen. Da werden viele Ressentiments mit Steilvorlagen beliefert.

Wie können alle Beteiligten nun ihr Gesicht retten?

Durch Gespräche. Deswegen ist es gut, dass die Veranstaltung heute nicht ausgefallen ist. Es gibt Aufklärungsbedarf – und so kommen jetzt Regisseur Alexander Riemenschneider und ich.

Und wie werden Sie die „Ella“ in Ihrem Stück nun unterbringen?

Die juristischen Auflagen wären auch erfüllt, wenn Ellas Text in einer LED-Anzeige schnell mal nebenher durchläuft. Deswegen finde ich die reine Berufung auf das Urheberrecht zutiefst problematisch. Wir wollen aber eine Lösung, die man nicht als Kommentar auf die Debatte deuten kann und die nicht denunziatorisch ist. Das habe ich Dea Loher versprochen.  INTERVIEW: JAN ZIER

20 Uhr im „2012“ , Theater Bremen