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Archiv-Artikel

„HNA“ macht jetzt auch TV

Mitarbeiter der Kasseler Regionalzeitung senden im Offenen Kanal – „völlig losgelöst von der Zeitung“?

Horst Seidenfaden ist kein Pseudonym, sondern ein viel beschäftigter Mann: Vier Tage lang, von Montag bis Donnerstag, war vergangene Woche im Fernsehen sein Nachrichtenmagazin „Alzus“ zu sehen. Gut, nur im Offenen Kanal Kassel, aber auch da macht sich ein Magazin mit „aktuellen Meldungen aus Kassel und der Region aus den Bereichen Politik, Wirtschaft, Kultur, Sport und Gesellschaft“ (Selbstdarstellung) nicht von selbst.

Zumal Horst Seidenfaden auch noch einen anderen Job hat: Er ist Chefredakteur der Hessisch-Niedersächsischen Allgemeinen (HNA), Auflage mehr als 242.000 Exemplare pro Tag. In Kassel selbst ist das Blatt – wie im größten Teil seines Verbreitungsgebiets – als Regionalzeitung allein auf weiter Flur. Und bei „Alzus“, was auf gut Hessisch in der Langversion angeblich so etwas wie „immer“ bedeutet, immer ganz nah dran. Die Sendung wird schließlich in der HNA-Lokalredaktion Kassel gedreht.

Man müsse das aber „völlig losgelöst von der Zeitung sehen“, sagt der stellvertretende HNA-Chefredakteur Jan Schlüter. Auch wenn sich der Hessische Rundfunk aufregt und von Schleichwerbung die Rede ist. Schließlich sei das ganze kein HNA-TV, und überhaupt sei der „Name HNA hier in der Region so bekannt wie Coca-Cola“, sagt Schlüter: „Da braucht’s keine Werbung und schon gar keine Schleichwerbung.“

Die für den Offenen Kanal zuständige hessische Landesmedienanstalt LPR hat trotzdem ermittelt, aber auch keine größeren Bedenken: Zum einen sei nicht die Zeitung der Veranstalter des Programms, sondern eben „Privatleute, die im Hauptberuf Redakteure der HNA sind“, sagt Joachim Becker, der stellvertretende LPR-Direktor. Und die haben ein HNA-Schild, das irgendwo im Hintergrund hing, auch brav nach einem Anruf der Medienaufseher abgenommen.

Dennoch werden jetzt noch mal Gespräche geführt und geprüft, wie mit den professionellen Print-Amateurfunkern künftig umgegangen werden soll. Dabei ist die Rechtslage – im deutschen Medienrecht hat das schon fast Seltenheitswert – in Hessen eigentlich eindeutig: Laut Satzung des Offenen Kanals dürfen lediglich Mitarbeiter anderer Rundfunkunternehmen kein Programm machen. Und die scheinen sich damit abzufinden: Proteste von Privatfunkern wie dem Radiosender FFH gibt es jedenfalls nicht. Wundert auch nicht weiter, schließlich ist die HNA auch an FFH beteiligt. Bleibt der öffentlich-rechtliche Hessenfunk (HR). Aber wahrscheinlich ist HR-Intendant Helmut Reitze, der laut FR von einem „Schleichwerbefall“ sprach, nur neidisch. STEFFEN GRIMBERG