LESERINNENBRIEFE
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Zwei Dinge wären nötig

■ betr.: „Labor statt Natur“ u. a., taz vom 8. 10. 13

Wie häufig steht auch hier der ungenannte weiße Elefant im Raum. Seit vielen Jahre bringen Saatgutkonzerne manipulierte Züchtungen auf den Markt, so auch CMS-Saatgut, das mehr Ertrag und eine hochgepushte Optik verspricht, aber als Hybrid nicht mehr selbst vom Bauern vermehrt werden kann – das ist besser patentierbar. Ungewollt oder unaufgeklärt haben VerbraucherInnen diese Entwicklung so sehr festgeschrieben mit ihrem Griff zu billigeren, größeren und „glatteren“ Feldfrüchten, dass es zum Beispiel bei Kohlsorten kaum noch Alternativen gibt. Auch im Bioladen bleiben typischerweise die samenfesten Sorten liegen – gekauft wird das „schönere“ und billigere CMS-Gemüse.

Zwei Dinge wären nötig – nicht nur, aber auf jedem Fall im Biobereich: eine neue Saatgutforschung, die die alten Sorten gleichzeitig an den Klimawandel anpasst, und eine Sensibilisierung der VerbraucherInnen, „unperfektes“, aber wahrscheinlich gehaltvolleres Gemüse zu kaufen, das aber 25 bis 50 Prozent teurer sein wird. Die Forschung, die mindestens zehn Jahre dauern wird, will finanziert werden – unmöglich, dass die Biobranche das alleine stemmen kann. Saatgut ist ein großes Thema der Zeit mit den Unterthemen Enteignung, Monopolismus, Neokolonialismus, Umweltzerstörung.

Die Babynahrung-Geschichte ist eine Panne, aber kein Skandal – der ist woanders. Die Medien könnten aus diesem Anlass gut einmal grundsätzlich Aufklärung betreiben, und zwar die Entwicklungen der Agrochemie, die EU-Agrarzuschüsse und den Hang zu Billiglebensmitteln beobachten und verknüpfen.

URSULA STÜBNER, HEINZ-DIETER GASPER, Troisdorf

Nicht nur Lobbyisten fragen

■ betr.: „Jetzt gibt es keine Ausreden mehr“ u. a., taz vom 8. 10. 13

Die Autorin schreibt zu Recht, dass die Verbraucher ein Recht auf Information hätten. Dieses Recht sollte man aber auch wahrnehmen, das heißt, sich (und die Leser!) informieren.

Hybride werden eingesetzt, wenn sie einen höheren Ertrag ermöglichen, was auf den Heterosis-Effekt zurückzuführen ist. Sie werden nicht wegen „Marktmacht“ (marktbeherrschende Stellung von Großkonzernen?) etc. angebaut. Diese gibt es im Kapitalismus auch ohne Hybride und auch ohne Gentechnik schon lange. Hybride werden schon seit Jahrzehnten angebaut, werden von der Wissenschaft umfassend untersucht und es gibt keinerlei Hinweise auf Risiken – entsprechend ist das „vielleicht“ in dem Kommentar ziemlich unangebracht.

Wir brauchen eine rationale, das heißt auf naturwissenschaftlichen Prinzipien basierende Betrachtung der Realität. Und nicht esoterisches, widersprüchliches Gerede wie von der Demeter-Sprecherin „Unverletzlichkeit und Würde von Pflanzen“), die natürlich Pflanzen isst und Pflanzen nur anbauen lässt, um sie danach ernten zu können. Entsprechend sollte man nicht nur Lobbyisten fragen, sondern auch Wissenschaftler, die sich mit der Thematik beschäftigen. Dann bräuchte man auch nicht zu fordern, dass etwas untersucht werden sollte, was längst untersucht ist/wird. Die anti- und unwissenschaftlichen Artikel über Landwirtschaft in der taz nerven!

LARS SCHARFF, Potsdam

Schädliche Eingriffe

■ betr.: „Gemüse aus dem Labor“ u. a., taz vom 8. 10. 13

Es wird in der Regel nur kritisch über gentechnische Methoden in der Züchtung von Nutzpflanzen diskutiert. Aber nicht nur die verbreitete Nutzung von den „halb-gentechnischen“ Methoden bei der Erzeugung von CMS-Hybriden macht jetzt zu Recht aufmerksam auf weitere problematische Verfahren in der modernen Züchtung.

In der Öffentlichkeit kaum bekannt sind vor allem Verfahren der „herkömmlichen“, jedoch weit verbreiteten Mutationszüchtung. Dabei werden Pflanzensamen entweder intensiver Strahlung ausgesetzt (zum Beispiel Röntgen- oder Neutronenstrahlen), man arbeitet mit Kälte- oder Wärmeschocks oder setzt sie chemischen Substanzen aus, die verstärkt Mutationen (Veränderungen im Erbgut) auslösen. Nur sehr selten entstehen bei dieser aggressiven „Behandlung“ des Erbguts Mutationen, die einen positiven Effekt aufweisen (die meisten Eingriffe sind schädlich oder tödlich für die Pflanzenzellen). Bei der Mutationszüchtung wird die Erbinformation viel weniger zielgenau und unkontrollierbarer verändert als mit der Gentechnik.

JOACHIM KRAUSE, Schönberg

Unbarmherzige Heuchler

■ betr.: „Die EU ist voll verantwortlich“, taz vom 4. 10. 13

Wenn die vielbeschworene humanistische und christlich-jüdische Tradition und deren Werte etwas wert sind und nicht nur reine Symbolik, muss die EU das Problem der Flüchtlingsströme aus Afrika und Asien lösen, und zwar nicht mit Abschottung, sondern mit fairer Wirtschaftspolitik. Gerade die Politiker in der EU, die kritisch einer größeren Aufnahmebereitschaft von Flüchtlingen gegenüberstehen und so tun, als wären Wirtschaftsflüchtlinge Menschen mit niederen Auswanderungsmotiven, sollten die größten Befürworter von fairem Handel und fairen Löhnen, Schuldenerlass, angemessenen Rohstoffpreisen und gegen Schutzzölle und Rüstungsexporte sein. Wer aber nicht verstehen will, dass der Erfolg des Einen immer das Scheitern des Anderen in unserem heutigen Wirtschaftssystem zur Folge hat, oben Genannte dennoch Werte preisen, aber faktisch nichts machen, sind sie wohl doch nicht mehr als unbarmherzige Heuchler.

MARKUS MEISTER, Kassel