: Mehr Kinder scheitern am Gymnasium
Ein Gewerkschafts-Experte hat errechnet, dass die gymnasialen Förderstunden innerhalb von vier Jahren auf ein Zehntel reduziert worden sind. Die Schulbehörde bestätigt diese Tendenz und erklärt sie für gewollt
Hamburg ist das einzige westliche Bundesland, in dem die Abiturientenquote sinkt. Der Experte der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW), Hans Voss, hat als eine Ursache die Kürzung der Förderstunden an Hamburgs Gymnasien ausgemacht. „Die Förderung wurde völlig in die Grütze gefahren“, sagt Voss. Hätte ein durchschnittlich großes Gymnasium im Jahr 2000 noch 132 Förder- und Teilungsstunden verteilen können, so seien dies nach mehreren Sparrunden im Jahr 2004 nur noch 13,2 Stunden für die ganze Schule.
Der Informatiklehrer, der in der GEW der Mann für die Zahlen ist, hat dies an Hand der durchschnittlichen Klassengrößen errechnet. Bis 2003 stand jeder Jahrgangsstufe eine bestimmte Zahl dieser Stunden fest zu. Seither aber gilt das so genannte „Basisfrequenzmodell“, nach dem die Förderstunden an eine Mindest-Klassenstärke gebunden sind. Absurde Konsequenz: Im Jahr 2005 sind die Gymnasien nach Voss’ Recherchen dazu übergegangen, die Eingangsklassen statt mit 28 mit 30 bis 32 Schülern zu füllen und Klassen zusammenzulegen, um wenigsten ein paar Förderstunden zu bekommen. Die Zahl der Teilungs- und Förderstunden habe sich dadurch wieder leicht erhöht, von 13 auf 21,9 – pro Schule. Damit hat ein durchschnittliches Gymnasium heute so viele Förderstunden wie bis zum Jahr 2000 die 5. Klassen allein.
Weil es an Förderung mangelt, so Voss, steige auch der Anteil der Kinder, die zwischen der 5. und 10. Klasse das Gymnasium verlassen müssen, seit drei Jahren an. Gingen 2003 noch 14,7 Prozent des Jahrgangs verloren, waren es 2005 schon 16,1 Prozent. Voss: „Das sind fast 1.000 Schüler.“ Im August 2006 werde es noch eine Steigerung geben, „das ist bereits jetzt anhand der Statistik der 9. Klasse zu erahnen“.
Behördernsprecher Alexander Luckow hält diese Zahlen für „aus der Luft gegriffen“. Die Zahl der Abbrecher gehe immer mal „in diese oder jene Richtung“. Auch Voss’ Zahlen über die Teilungsstunden könne er „im Detail weder dementieren noch bestätigen. Aber in der Grundtendenz hat die GEW Recht“, sagt Luckow. „Das ist aber auch gewollt.“ Im Gegenzug hätten die Haupt- und Realschulen seit 2004 „mehr Teilungsstunden bekommen“. Das gelte allerdings nur für die 5. und 6. Klassen.
Kaija Kutter