: Die Hits der U31
MACHTWECHSEL Letzten Samstag gaben die taz-Mitarbeiter unter 31 Jahren die Leitung der Zeitung in die Hände ihrer Kollegen zurück. Die Charts aus sieben Tagen andere taz
Die schönste Anrede für U31-Redakteure durch taz-Leser
1. Frischfürze
2. Emporkömmlinge
3. Prakitannten
Die beste Titelseite
1. Zum ersten Mal macht eine deutsche Tageszeitung mit dem Thema Netzneutralität auf, die Illustration zeigt einen Türsteher mit abwehrender Handbewegung. Darüber steht „www-Club“. Da kommt vielleicht bald nicht mehr jeder rein.
2. Nach dem Rücktritt von Bischof Mixa zeigt die taz ein Bild von fünf alten Männern in schwarz-roten Roben. Die Titelzeile lautet: „Finden Sie den Fehler!“ Klar. Mixa ist noch drauf.
3. Zur Anti-AKW-Menschenkette titelt der Seite-1-Redakteur: „Schön!“, auf dem Bild darunter wurde ein stillgelegtes Atomkraftwerk zu einem Freizeitpark umgewandelt.
Die beste verworfene Titelidee
1. Im Februar ist die evangelische Bischöfin Margot Käßmann zurückgetreten, weil sie betrunken Auto gefahren ist. Nun tritt der katholische Bischof Mixa zurück – wegen geleugneter Schläge und zweckentfremdeten Geldes. Unser Seite-1-Mann schlägt eine Fußballanzeigetafel vor. Schließlich haben die Katholiken jetzt aufgeholt, und es steht 1:1.
2. Ein Atomkraftwerk steht allein auf grünem Feld. Darüber steht: „Geh aus, du bist umzingelt!“
Die längste Tagesarbeitszeit (total neoliberale Kategorie!)
1. 18 Stunden und 45 Minuten von 8.30 bis 3.15 Uhr (Wolf Schmidt, Schwerpunkt-Ressort)
2. 17 Stunden von 8 bis 1 Uhr (Carl Ziegner, Online)
Das beste Zitat
1. „Das ist doch Achtziger!“ Generalargument gegen Themen, Personen und Formate, die wir nicht in der Zeitung haben wollen.
2. „Wir machen alles ganz fresh diese Woche.“ Generalargument für Themen, Personen und Formate, die wir in der Zeitung haben wollen.
3. „Ich schreibe heute einen Text über Surfen.“ Gordon Repinski, Parlamentsredakteur, groß, blond, breitschultrig, in der taz schon immer als Surfer verhandelt, bekennt erstmals öffentlich in der Redaktionskonferenz, dass er wirklich einer ist.
4. „Ich glaub, ich fühle mich langsam von TOM diskriminiert. Jedenfalls marginalisiert.“ Redakteurin Ulrike Winkelmann zu dem Fakt, das ein großer Teil der taz-LeserInnenbriefschreiber ihre Zeitung wegen eines Cartoons zu kaufen scheint.
Die meistgenutzte Abkürzung
1. U31 – wertneutrale Selbst- und Fremdbezeichnung für das ganze Projekt und seine Akteure, wahlweise auch als Präfix zu verwenden. Wird gemeinhin gegenüber der Bezeichnung Youngsters favorisiert.
2. GKM – Abkürzung für das neue Ressort Gesellschaft, Kultur und Medien. Varianten: KGM, GMK
Die schlimmste Katastrophe
1. Das Zitat „Es ist eine Erleichterung für die katholische Kirche“ zum Rücktritt von Bischof Mixa auf der Seite 3 der Freitagstaz stammt nicht von Erzbischof Reinhard Marx, sondern von dem CSU-Politiker Alois Glück. Die taz entschuldigt sich am Samstag.
2. Bei der U31-Party auf dem taz-Dachgarten geht um 9 Uhr abends das Bier aus.
Die schönste Katastrophe
1. Am Freitag wird das neue Album von CocoRosie vorgestellt – Überschrift: „Die Dreifaltigkeit weint“, Unterzeile: „SPIRITUELLER POP Hier soll ein spannender Vorspann stehen, der den Leser so richtig reinreißt“. Die Kollegen in der Morgenkonferenz denken, wir haben das mit Absicht gemacht, um wenigstens einen Fehler zu machen.
2. Am Dienstag steht auf Seite 5 ein Porträt über Indiens Exvizeaußenminister Shashi Tharoor, Titel: „Der Draufgänger“. Das Bild zu dem Text zeigt die Ränge eines Kricketstadions. Die Bildunterzeile lautet: „Kricket ist der populärste Sport in Indien. Stadion in Lahore“.
Der größte Erfolg
1. Innovationen auf taz.de. Auf unserer Seite gibt es plötzlich Dinge, deren Namen wir zuvor nicht einmal kannten. Zwei Foto-Video-Reportagen – zusammen 15.000-mal geklickt, eine Audioslideshow, jeden Tag einen selbst produzierten Videokommentar. An der täglichen Abstimmung über die Farbe des taz-Titelkopfs für den nächsten Tag nehmen jedes Mal über 2.000 Menschen teil. Der Aufruf, online kleine Beträge für guten Journalismus zu bezahlen, bringt über 1.800 Euro Spenden. Die Zahl der Digitaz-Abonnenten steigt.
2. Der Gesellschaftsteil taz zwei und die Kultur werden für die Zeit der Übernahme zusammengelegt. Nach Ablauf der Woche wollen die beiden betroffenen Ressorts nun in den nächsten Monaten mit einer Zusammenarbeit weiterexperimentieren.
3. Zwei Recherche-Doppelseiten in einer Ausgabe: Eine sogar in der FAZ-Redaktion gelobte Aufarbeitung der taz-Pädophilie-Debatte und 50 eigenrecherchierte Zahlen zum Afghanistankrieg.
4. Wir haben durchgehalten und TOM allen Stürmen zum Trotz bis Samstag nicht gedruckt.
Der größte Misserfolg
1. Wir schaffen es nicht, für eine Mehrheit der Kommentare Autoren unter 31 Jahren zu finden.
2. Beim Redaktionsbesuch von Linke-Politikerin Sahra Wagenknecht am Donnerstag fragen nur etablierte Redakteure.
Die stillste Revolution
1. Die Sportredaktion. Geschichten über Tischfußball und Eistanz und zum Sportwochenende ein Blick über den Tellerrand auf das Sportwochenende anderswo: Auf M. S. Dhoni gegen Sachin Tendulkarn in Indien und den Tabellenführer aus Usulután in San Salvador.
Das Lied der U31-Partys
1. Digital ist besser – Tocotronic (Freitag, 22.47 Uhr)
2. Für immer Punk – Goldene Zitronen (Freitag, 23.29 Uhr)
3. Die letzte Schlacht gewinnen wir – Ton, Steine, Scherben (Samstag, 21.32 Uhr)
Der beste Eintrag auf hausblog.taz.de
1. „Sooooo süß!“ Thilo Knott, 38, einst Ressortleiter am ersten Produktionstag, zur Frage, wie seine neuen Chefs so sind.
2. Unter dem Titel „Voll anders“ kapern Unbekannte am Dienstagabend um 23.33 Uhr den Hausblog und reagieren auf den Vorwurf, der U31 fehle der Mut zum vergeigten Kommentar: „Spät am Abend traut sich die junge Generation dann doch aus der Deckung. Und sie kommentiert unkonventionell: Atomstrom gut. Gentechnik: die Rettung. Linkspartei doof. Rein nach Pakistan. Raus aus Mecklenburg-Vorpommern. Afrika nervt. Sicherheit geht vor. Steuern senken. Schwanz muss sein. Arbeit muss sich wieder lohnen.“
Der härteste Lesertadel
1. „Ohne TOM könnt ihr euch die taz an Arsch stecken.“
2. „Offensichtlich wollt ihr dem jahrelangen wirtschaftlichen Siechtum eine Ende bereiten und den goldenen Schnitt machen, der die taz endgültig von der Bildfläche verschwinden lässt.“
3. „Wenn die taz so bliebe, wäre es ein Grund, sie abzubestellen. Besser vielleicht noch, sie in kleine Stücke zerreißen und sie einzeln an die Redaktion zurücksenden – aber dann das Porto!!!“
Das schönste Leserlob
1. „Liebste taz, dies ist eine Liebeserklärung. Seit Montag bin ich ganz aus dem Häuschen. Vielleicht sind es die Frühlingsgefühle, vielleicht aber auch deine einwöchige Verjüngungskur. Ach, ich bin einfach zu verliebt um dich nur einmal zu lesen. Bleib, wie du jetzt bist, und dann ist das mit uns beiden für immer, auch wenn sich das schrecklich (monogam) anhört! In Liebe reiche ich dir die Taze.“