: Friedensgespräche für Sri Lanka ausgesetzt
Tamil-Tiger-Rebellen lassen Genfer Friedensgespräche platzen, um den Druck auf die Regierung zu erhöhen
DELHI taz ■ Statt sich in Genf lächelnd die Hand zu schütteln, beschmutzen Sri Lankas Konfliktparteien zu Hause ihre Hände wieder mit Blut. Gestern hätte in Genf die zweite Runde der Friedensgespräche beginnen sollen. Doch nach wochenlangem Hin und Her erklärte ein LTTE-Sprecher am Samstag, die Rebellenorganisation habe ihre Teilnahme endgültig abgesagt. Mittlerweile stieg die Zahl der seit den ersten Genfer Gesprächen getöteten Menschen im Norden und Osten Sri Lankas auf 100. Am Wochenende starben bei Trincomalee erneut elf Menschen. Und bei einem „Zwischenfall“ wurden drei „Rebellen“ von einer Militärpatrouille erschossen. Bei einem anderen „Zwischenfall“ fuhr ein Militärfahrzeug auf eine Mine. Vier Soldaten starben.
Als Grund für die Aussetzung der Gespräche werden aber nicht die zahlreichen Toten angeführt. Die Regierung, die bei den vielen Minen-Hinterhalten die meisten Opfer zu beklagen hat, hat bis zuletzt versucht, diese Anschläge herunterzuspielen, um die Gespräche nicht zu gefährden. Die LTTE streitet kategorisch ab, dass sie für das Minenlegen verantwortlich ist. Doch selbst die norwegischen Waffenstillstandsbeobachter lassen durchblicken, dass sie darin die Handschrift der Tiger erkannten.
Die Zwischenfälle nahmen zu, je näher das Genfer Datum kam. Das lässt vermuten, dass die LTTE die Gespräche platzen lassen wollte. Auch die offizielle Begründung dafür klingt wenig überzeugend. Sie lautet, dass sich die LTTE nicht auf Genf vorbereiten konnte, weil sie ihre Kommandanten aus dem Osten nicht in ihr Hauptquartier im Norden zur Vorbereitung holen konnte. Der Grund: Sri Lankas Regierung weigerte sich, ihnen Helikopter bereitzustellen. Da das Territorium zwischen den LTTE-Zonen im Norden und Osten von LTTE-feindlichen Kadern des abtrünnigen Oberst Karuna unsicher gemacht wird, bestanden die Tiger auf Helikoptern. Die Regierung lehnte ab und offerierte Schnellboote. Dann insistierten die Rebellen darauf, eigene Boote zu benutzen, was für Colombo inakzeptabel war. Die Regierung lenkte schließlich ein und schlug Zivilhelikopter vor. Wieder lehnten die Rebellen ab.
Sucht die LTTE einen Vorwand, um den Krieg erneut vom Zaun zu brechen? Die klang vor einigen Monaten noch plausibel, als die Rebellen mit dem Boykott der Präsidentschaftswahlen dem Hardliner Rajapakse zum Sieg verhalfen. Doch der erwies sich inzwischen als recht konziliant und überraschte in Genf mit Kompromissvorschlägen. Suchten die Rebellen nun einen neuen Vorwand, um offen wieder zur Waffe zu greifen? Oder wollen sie die Regierung zwingen, den Stachel in ihrem Fleisch mit Namen Karuna herauszuziehen, bevor sie wieder verhandeln? Kein Zweifel: Karuna gefährdet die Alleinherrschaft der Tiger vor allem im Osten. Sie sind überzeugt, dass die Regierung Karuna gewähren lässt als Teil eines innertamilischen Kriegs gegen die LTTE, der nach dem Scheitern der Gespräche vor bald 3 Jahren begann. Ihre Gesprächsverweigerung ist angesichts des Drucks der internationalen Gemeinschaft, Verhandlungsfortschritte zu erzielen, eine potente Waffe. BERNARD IMHASLY