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Archiv-Artikel

Streit um vertagte Krebsoperationen

Marburger Bund kündigt verschärfte Ärztestreiks in Kliniken an. Gespräche über Tarife gehen heute weiter

BERLIN taz/dpa ■ Knapp sechs Wochen nach Beginn der Streiks an den Universitäts- und Landeskliniken hat die Ärztegewerkschaft Marburger Bund (MB) eine massive Verschärfung der Ausstände angekündigt. Da die Mediziner auch Krebsoperationen verschieben, übten Bundesregierung und SPD scharfe Kritik an der Ärztegewerkschaft.

Die bisher jeweils zweitägigen Streiks würden in zwei bis drei Wochen auf die ganze Arbeitswoche ausgeweitet, kündigte der MB-Vorsitzende Frank Ulrich Montgomery gestern in Berlin an. Auch zur Fußball-Weltmeisterschaft drohten flächendeckende Klinikstreiks. Ungeachtet dieser Ankündigungen wollen die Länder und die Ärztegewerkschaft ihre Gespräche nach wochenlangem Stillstand heute wieder aufnehmen.

Die Fortsetzung der Sondierungen zwischen den Geschäftsführern gehen auf einen Anruf des Vorsitzenden der Tarifgemeinschaft deutscher Länder (TdL), Hartmut Möllring, bei Montgomery gestern Morgen zurück, wie TdL-Geschäftsführer Ulrich Rieger der dpa bestätigte. Montgomery sagte: „Das erste Eis beginnt ein bisschen zu bröckeln und zu krachen.“ Rieger sagte: „Wir nehmen den Gesprächsfaden wieder auf, aber wir werden den Knoten morgen nicht durchschlagen.“

Forderungen Montgomerys, die TdL müsse „ein neues Angebot“ vorlegen, wies Rieger zurück. „Wir suchen intensiv nach Lösungen“, sagte er. Die Erwartungen seien aber „nicht groß“. Montgomery sagte, es gebe keinen Anlass zu „übertriebener Hoffnung“. Nach der Runde am 9. März waren die Verhandlungen abgebrochen worden.

Gesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD) zeigte sich „erschüttert“ darüber, „mit welcher Leichtigkeit“ der Marburger Bund Krebs- und Herz-Operationen als nicht dringlich einstufe. „Der Krebs wuchert weiter und nimmt keine Rücksicht auf Forderungen Montgomerys“, sagte Schmidts Sprecher Klaus Vater. Etwa an den Uni-Kliniken Heidelberg und Freiburg werden an Streiktagen bereits keine Tumorpatienten mehr operiert.

Der MB-Chef zeigte sich hingegen „stolz“, dass bisher in keinem Fall Patienten benachteiligt worden seien. Nach einer möglichen bundesweiten Ausweitung der Streiks auf die ganze Woche würden Operationen an Streiktagen tatsächlich nur noch bei Schmerzen oder Notfällen stattfinden, sagte Montgomery. Bisher sei aber „sehr viel“ als Notfall gewertet worden. Seit 16. März sind die Mediziner für bessere Arbeitsbedingungen und 30 Prozent mehr Gehalt im Ausstand.