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Archiv-Artikel

Schwangere Auster macht dicht

Der neue Intendant des Hauses der Kulturen der Welt gibt Ausblick auf die Zeit nach der Schließung und Sanierung des Gebäudes. Zukünftiges Konzept zeigt ab 2007 Kultur als Spiegel der Globalisierung

„Wir wollen zeitnah auf gesellschaftliche Themen reagieren.“

von ROLF LAUTENSCHLÄGER

Wer nach 100 Tagen im Amt erst mal die Schließung seiner Institution vermelden muss, der sieht eigentlich anders aus. Nämlich gar nicht gut. Bernd M. Scherer, seit Januar diesen Jahres neuer Intendant des Hauses der Kulturen der Welt (HKW) und davor für das Goethe-Institut in Mexiko-Stadt und München tätig, machte gestern bei seiner „100-Tage-Bilanz“ den gegenteiligen, nämlich fröhlichen Eindruck. Gleichwohl er von Schließung, Bauarbeiten, dem Ende der Ausstellungen und Programme bis Mitte 2007 im HKW zu berichten hatte – und noch über vielerlei weitere Widrigkeiten.

Der Gute-Laune-Grund ist einfach: Die nötigen Baumaßnahmen zur Instandsetzung der Kongresshalle verschaffen nach Ansicht des neuen Leiters „Raum“ für zweierlei: „Wir haben und nutzen die Zeit zum Nachdenken für eine Erneuerung des Hauses der Kulturen der Welt“, sagte Scherer. Welcher Intendant hat schon die Chance, Pläne und neue Konzepte in Ruhe schmieden zu können? Wohl keiner. Bis auf den Chef der HKW, und der freut sich darüber.

In der Tat gibt es für das Haus der Kulturen der Welt, das in den vergangenen Jahren nicht eben ein Publikumsmagnet war, viel zu tun. Zunächst, erläuterte Scherer, werde im Juli 2006 das Gebäude für umfangreiche Sanierungsmaßnahmen geschlossen. Die Haustechnik, Eingangs- und Ausstellungsbereiche sollen erneuert werden.

Der Wiederaufbau der Kongresshalle 1984 bis 1987 nach dem Einsturz „hat sich auf das Dach und die durch den Einsturz geschädigten Bauteile konzentriert. Alles andere blieb bis heute fast unverändert“, sagte Scherer. Das werde nun in Angriff genommen.

Die bauchige Kongresshalle im Tiergarten, treffend von den Berlinern „Schwangere Auster“ getauft, war 1957 als Geschenk der USA an die Frontstadt und als Beitrag zur Internationalen Bauausstellung im Hansaviertel eröffnet worden. Nach dem Teileinsturz 1980 wurde sie 1988/89 als Haus der Kulturen der Welt wiedereröffnet. Der Bund finanziert mit 8,8 Millionen Euro den Umbau, der zum 50. Geburtstag des HKW im August 2007 fertig sein soll.

Auch konzeptionell will Scherer das Haus neu aufstellen. „Ausländische Kulturen im Kontext der Globalisierung“ sollen als Teil der „politischen und ökonomischen Prozesse“ und der „Sinnsysteme“ – etwa der Religion – dargestellt werden. Das HKW spiegle die Kulturen der Welt nicht mehr in „Exotenschauen“, sondern als Gleichberechtigte einer globalisierten Welt. Intendant Scherer: „Wir wollen fragen, wo sich der Mensch in diesem Transfornmationsprozess befindet und wie die Kunst und Kultur, etwa auf Armut, reagiert.“

Auch während der Umbauzeit sollen an einigen Wochenenden Veranstaltungen angeboten werden. Diese würden dann „zeitnah auf gesellschaftliche Themen reagieren“, so der Intendant. Als Beispiel nannte er die im kommenden Mai stattfindende internationale Konferenz zum Thema „Bilderkriege“, wo die Kontroverse um die unterschiedliche Perspektive zu den „Mohammed-Karikaturen“ diskutiert werden soll.