Das Laboratorium der Dinge

JUBILÄUM Das Figuren- und Objekttheater der Schaubude feiert mit einem großen Festival sein 20-jähriges Bestehen

Wenn Sylvia Brendenal über Puppen- und Objekttheater redet, dann scheint es so, als fange sie an zu leuchten. Die Frau mit den silberweißen Haaren und der roten Lederjacke ist die künstlerische Leiterin der Schaubude, dem größten Theater seiner Art in Berlin, das diese Woche sein 20-jähriges Bestehen feiert.

Zum Geburtstag hat sich die Schaubude ein Festival geschenkt und alle ihre Freunde eingeladen. Im Programm sind Wiederaufnahmen von Stücken, die hier vor Jahren ihre Premiere feierten. Manch heute bekannter Puppenspieler stand hier das erste Mal vor Publikum im Rahmen der „Versuchung“ auf der Bühne, dem Festival für junges Figuren-, Puppen- und Objekttheater, das Sylvia Brendenal mit ins Leben gerufen hat. Jenes Festival war gleichzeitig einer der größten Erfolge des Theaters, das ein reines Gastspieltheater ist, also über kein eigenes Ensemble verfügt.

Vor 16 Jahren ist die Theaterwissenschaftlerin Brendenal ans Haus gekommen. Vor der Wende war sie Redakteurin bei Theater der Zeit. Nach deren zwischenzeitlicher Abwicklung ging sie nach Bochum und baute das Deutsche Forum Theater und „Puppenspielkunst Fidena“ auf. Danach kam sie zur Schaubude. „Als wir hier mit dem Erwachsenenspielplan anfingen, lag die Zuschauerauslastung bei ungefähr 12 Prozent“, erzählt sie, „jetzt sind wir bei 85 Prozent.“ Insgesamt hat das Haus in der Nähe des S-Bahnhofs Greifswalder Straße eine Kapazität von etwa 150 Plätzen.

„Theater der Dinge“ heißt nun das internationale Festival zum Jubiläum. Brendenal hat sich damit auch selbst ein Geschenk gemacht. „Ich will den Künstlern danken, die so viel schöpferische Kraft und Inspiration in dieses Haus gebracht haben.“

Entscheidende künstlerische Impulse kamen zum Beispiel von Gyula Molnàr, dem italienisch-ungarischen Regisseur und bekannteren Vertreter des Objekttheaters.

Dessen Inszenierung „Drei kleine Selbstmorde“ gehört zu den Klassikern des Genres. Die Story: Bonbons liegen auf einem Tisch und eine Alka-Seltzer-Tablette kommt dazu – die will mitspielen. Die Bonbons lassen sie nicht mitmachen. „Du siehst ganz anders aus als wir“, sagen sie und schieben sie weg. Dann isst der Puppenspieler einen der Bonbons und das Papier bleibt übrig. Er wickelt die Alka-Seltzer in das Bonbonpapier. Die ist daraufhin wahnsinnig glücklich, weil sie jetzt doch mitspielen kann – sie ist ja jetzt in Bonbonpapier eingewickelt. Aber die anderen Bonbons kriegen das natürlich mit: „Die is doch dünner, die sieht doch anders aus.“ Sie stoßen sie wieder aus. Wenn Brendenal die Geschichte und deren Auflösung erzählt, bekommt man einen Eindruck, was Figurentheater leisten kann.

„Das Wichtigste an dieser Kunstform“, sagt sie, „ist die permanente Austestung der künstlerischen Ausdrucksmittel. Wir sind die Theaterform, die mit den meisten Klischees behaftet ist. Wir sind Kasperletheater, wir sind das Theater für Kinder, wir sind das Theater, wo man genau weiß, wie man’s macht.“

Die Schaubude ist mittlerweile eine wichtige Anlaufstelle geworden: „Wir sind das Haus für die freien Gruppen. Wir sind der Hort, das Laboratorium“, sagt Silke Haueiß, Pressesprecherin der Schaubude.

„Für mich ist das wirklich die reichste Theaterform, die es gibt“, betont Kollegin Brendenal. „Dieses Theater lebt von der Liaison der darstellenden Kunst und den anderen Schwesterkünsten des Theaters. Die Künstler finden in jeder Inszenierung einen neuen Weg, eine Geschichte zu erzählen.“ LEA STREISAND

■ Festival „Theater der Dinge“ noch bis Donnerstag. Programm: schaubude-berlin.de