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: Überteuerter Kurzarbeiter

BASKETBALL Die NBA-Klubs schrecken vor einer Verpflichtung von Jason Collins zurück. Sein Outing dürfte nicht der Grund dafür sein

Collins blickt auf zwölf NBA-Jahre zurück. Die letzten verbrachte er als Bankdrücker

Jason Collins hat zu tun. Er muss sich fit halten. Für den Fall der Fälle. Also trainiert er sechs Tage die Woche. Er stemmt Gewichte, er läuft, er dehnt sich mit Yogaübungen, er wirft auf den Korb. Denn wenn er nicht gerade trainiert, ist Jason Collins vor allem mit einem beschäftigt: mit Warten. Er wartet, dass das Telefon klingelt, ein Manager sich meldet und sagt: Wir brauchen dich. Jason Collins wartet darauf, der erste Basketballprofi zu werden, der in der NBA spielt, während alle wissen, dass er schwul ist.

Ende April war es, als Jason Collins in einem Artikel in Sports Illustrated öffentlich machte, dass er homosexuell ist. Das Bekenntnis löste damals vor allem positive Reaktionen aus: Prominente Kollegen gratulierten, Aktivisten applaudierten, und die NBA konnte sich wieder einmal bestätigt sehen in ihrem sorgfältig gepflegten Image als progressivste und toleranteste der wichtigen amerikanischen Profi-Ligen.

Nur einen Schönheitsfehler hat die Geschichte: Ein halbes Jahr später bereiten sich die NBA-Teams auf die neue Spielzeit vor, die Vorbereitungsspiele laufen bereits, am 29. Oktober wird es ernst, aber Jason Collins wartet immer noch. Es gab zwar Interesse von verschiedenen Klubs, den erfahrenen Center zu verpflichten, aber letztlich scheiterten die Verhandlungen. Collins kann das nicht verstehen: „Ich habe das Gefühl, es gibt momentan Spieler in der Liga, die schlechter sind als ich.“

Gerade darüber aber gehen die Meinungen auseinander. Denn Collins ist 34 Jahre alt und war noch nie mit einem überragenden Talent gesegnet. Er war ein fleißiger Arbeiter, einer, der sich in der Verteidigung aufrieb, aber selbst in seiner besten Saison nur 6,4 Punkte im Schnitt erzielte. Trotzdem kann Collins auf zwölf Jahre in der NBA bei sechs verschiedenen Mannschaften zurückblicken, von denen er die letzten allerdings als Bankdrücker verbracht hat. Einer, der vor allem für den Fall gebraucht wurde, dass sich der etatmäßige Center oder dessen Ersatzmann verletzten, einer, der seine Rolle klaglos akzeptierte und bereitstand, wenn man ihn brauchte.

Die Frage ist nun, ob es Collins’ Coming-out ist, das einer Fortsetzung seiner NBA-Karriere im Weg steht. In der New York Times äußert sich der Manager eines Klubs anonym und gibt zu, dass es einige Teams gibt, die Angst vor den Auswirkungen einer Verpflichtung haben. Allerdings, so der Manager, fürchteten seine Kollegen weniger um die mannschaftsinterne Chemie in einer Liga, in der Homophobie weiterhin nicht weniger verbreitet ist als im Rest der Gesellschaft. Stattdessen grassiere die Angst vor dem unvermeidlichen Medienauflauf und der damit verbundenen Ablenkung.

Der wichtigste Grund allerdings, warum Collin im heimischen Los Angeles immer noch auf den erlösenden Anruf wartet, dürfte das Geld sein. Aufgrund des Tarifvertrags der NBA mit der Spielergewerkschaft steigt das Grundgehalt eines Spielers mit jedem Jahr, das er in der Liga aktiv war. Collins würde mindestens 1,4 Millionen Dollar verdienen in dieser Saison, könnte für manches interessierte Team aber sogar noch teurer werden. Denn neuerdings gelten strengere Regeln: Wenn die Gehaltsobergrenze überschritten wird, müssen Klubs eine saftige Luxussteuer bezahlen.

Das gilt vor allem für die Brooklyn Nets. Die schienen die erste Adresse für Collins zu sein, weil er in dem Klub, als der noch in New Jersey zu Hause war, seine besten Jahre verbracht hatte und damals mit dem neuen Nets-Coach Jason Kidd zusammen spielte. Aber die Nets haben eine so gut bezahlte Mannschaft, dass sie eine Verpflichtung von Collins nahezu sechs Millionen Dollar kosten könnte.

Viel Geld für einen, der pro Spiel voraussichtlich zwei, drei Minuten zum Einsatz kommen würde. Viel Geld, das aber ein Klub lockermachen könnte, wenn während der Saison ein personeller Engpass entsteht. Doc Rivers, mittlerweile Trainer der Los Angeles Clippers, kennt Collins noch aus seiner Zeit in Boston und hat angekündigt: „Wenn einer meiner Großen sich verletzt und er noch zu haben ist, dann hole ich ihn her.“ Aber bis es so weit ist, muss Jason Collins weiter warten. THOMAS WINKLER