: Niemand weiß, was genau sie tut
EHRUNG Die Künstlerin Yoko Ono wurde am Donnerstag mit dem Theodor-Wanner-Preis ausgezeichnet. Die Laudatio hielt Guido Westerwelle
AUS BERLIN JENNI ZYLKA
Sonnenbrille, die wie eine Lesebrille auf der Nasenspitze klebt, Hut, Weltfrieden: Markenzeichen einer Künstlerin. Yoko Ono ist 80 Jahre alt, sieht aus wie 60, ihre schönen, schräg stehenden Augen blinzeln kaum, ihre Stimme hat – noch immer – einen Akzent. Yoko sitzt auf einem schweren Ledersofa im Allianz Forum, wo das Institut für Auslandsbeziehungen (ifa) am Donnerstagabend den Theodor-Wanner-Preis an die Friedensaktivistin vergab.
Vorher konnte man mit ihr plaudern, in kleiner Presserunde mit Wasser und Kaffee. Yoko ist freundlich, leise, zurückhaltend, dabei weiß man doch, wozu diese Stimme fähig ist: Sie setzte sich bei Beatles-Songs durch, sie hat Urschreiplatten aufgenommen, sie hat bereits in den 50ern bei Happenings ihre Bilder verbrannt, in den 60ern Performances veranstaltet, bei denen ihr die Klamotten vom Leib geschnitten wurden, sie hat die Fluxusbewegung maßgeblich mitgestaltet, bis heute. Und klar, sie hat John Lennon getroffen, sich verliebt, ein Kind mit ihm bekommen. Und sie war bei Lennon, als er erschossen wurde.
Aber vielleicht redet man mit der zarten Stimme erst mal über andere Dinge. Schließlich hat man auch schon von ihrer legendären Zickigkeit gehört, ihrer Sturheit bei bestimmten Themen. Ob sie sich beispielsweise an das erste Kunstwerk erinnern kann, das sie beeindruckt hat? Nein, sagt sie, denn sie mache keinen Unterschied zwischen Kunst und Leben. Als kleines Kind habe sie den Sound genossen, den Wind und Wetter machen, auch das sei Kunst. Und da jeder Mensch anders sei, empfinde eh jeder andere Dinge als kunstvoll. Das klingt wie viele ihrer Projekte der letzten Jahre: direkt, wahr und naiv. Wohin ist die Radikalität, mit der sie einst Genderfragen diskutierte, sich in einem Sack interviewen ließ, um auf das falsche Bewerten aufgrund von Aussehen hinzuweisen? Man muss nicht unbedingt radikal sein, sagt sie. Und dass sie sich doch kaum verändert habe: Wenn etwas auftauche, was sie mit anderen teilen möchte, tue sie das, egal wie. Musik, sagt sie dann, habe eine Schwingung, Vibration, die in anderen Künsten nicht existiert, darum eigne sie sich besonders gut dazu, Menschen zu erreichen, die Welt zu verändern.
Ob sie oft an ihre Eltern denke, fragt jemand. Nein, sagt Yoko, wir haben doch alle ein schwieriges Verhältnis zu unseren Eltern. Also denke ich einfach nicht an sie. Therapeuten würden schnappatmen, aber so, wie Yoko es sagt, klingt es vernünftig. Augen zu bzw. Sonnenbrille hoch, und das Böse ist weg. Die Frage, ob der Humor in ihrer Kunst eigentlich anerkannt wird – es ist doch lustig, eine Dose voller Fliegen aufzumachen und jede einzelne fotografisch zu begleiten, bis die letzte sich auf John Lennons Nase setzt –, beantwortet sie ausführlich: Humor sei erstens weniger national geprägt als vielmehr durch das Klassensystem – Arbeiter machen sich über andere Dinge lustig als die Oberklasse. Und zweitens würde man ihr, als Japanerin und als Frau, tatsächlich kaum Humor zugestehen. England, sagt sie, unterscheide sich da kaum von Japan. Männer benutzen Humor als soziale Waffe, bei Frauen wird er selten anerkannt.
Eine Frage noch, bevor die Preisverleihung losgeht, irgendwo im Atrium des Allianz Forums wartet schon Guido Westerwelle, der gleich die Laudatio hält. Wie hält sie’s mit der Religion? Sehen Sie, sagt Yoko Ono, wir leben in einer sehr schwierigen Zeit und Gesellschaft, sich gegenseitig zu helfen braucht unsere gesamte Energie. Wir haben keine Zeit, Gott zu befragen. Findet sie Religionen also gefährlich? Nur wenn man an sie glaubt, sagt sie. Ein Bonmot zum Drucken. Man sieht es direkt schon im U-Bahn-Fernsehen, als „Spruch des Tages“: „Religionen sind nur gefährlich, wenn man an sie glaubt – Yoko Ono, Friedenskünstlerin“.
Bei der anschließenden Preisverleihung hält Herr Westerwelle – vielleicht weil der Regierungsdruck fehlt – entspannt eine freundliche, worthülsenlastige Rede zur Relevanz Yoko Onos und schafft es, nicht ein einziges ihrer Werke auch nur ansatzweise bildlich zu beschreiben. Da fällt einem John Lennons Aussage wieder ein, Yoko sei „the world’s most famous unknown artist“, weil jeder sie kenne, aber niemand wisse, was sie tue. Ein junger Schlagzeuger spielt zwischen den Reden muntere Sets auf Pauken und Xylofon. Und Yoko ist begeistert, auch wenn sie nicht aufsteht und spontan tanzt, so wie zwei Tage zuvor beim Besuch des „John Lennon Educational Bus“, eines von ihr initiierten Kunstprojekts für Kinder.
Der Award selbst, zu dessen früheren Preisträgern Daniel Barenboim und Carla del Ponte gehören, ist – als Direktspende an das kenianische Antikorruptionsprojekt Boniface Mwangis – 10.000 Euro schwer, sieht aus wie ein gefrorenes Gespenst und soll eine zusammengeknüllte Papierkugel symbolisieren – weggeworfene Gedanken, die sich eben doch weiterzudenken lohnen. In ihrer Dankesrede wirft Yoko noch mal kunstfertige Slogans in die Menge – „Think peace, act peace, spread peace“, oder „The future is what we create“.
Und sie erzählt eine Geschichte, die das Fehlen der Bilder in der Laudatio dicke wettmacht: John und sie wollten 1968 als Kunsthappening je eine Eichel am West- und Osteingang einer Kapelle pflanzen. Aber John legte die Eichel genau neben ihre in die Erde. Um die ewigen Klassifizierungen zwischen Ost und West zu beenden. Das mit dem Bild und den tausend Worten hat sie eben wirklich drauf.