: Karikatur statt Aufstachelung
THEATER In der Shakespeare Company wurde „Wut und Wiege“ uraufgeführt, ein Liederabend, der vor allem das Scheitern revolutionärer Ideen zelebriert
Wer von diesem Stück der Shakespeare Company, wer von „Wut und Wiege“ revolutionäre Inspiration erhofft – der wird enttäuscht sein. Hier geht es nicht um eine Rebellion gegen die herrschenden Verhältnisse. Sondern um deren beinahe zwangsläufiges Scheitern. Was vom Geist des Umsturzes übrig bleibt ist Desillusionierung. In gute Unterhaltung verpackt.
In „Wut und Wiege“, jetzt im Theater am Leibnizplatz uraufgeführt, erscheint die Revolution als eine Karikatur ihrer selbst. Das aber von Anfang an. Der Liederabend beginnt, stimmlich noch etwas schwach, mit Robbie Williams‘ Pop-Hymne „Let me entertain you“ – und einem Transparent mit der Aufschrift: „Ich bin ein bewaffneter Aufstand“. Beate Weidenhammer trägt dazu ein knappes Outfit, viel grellroten Lippenstift und einen Marlene-Dietrich-Hut. Dann taucht eine aus dem schwarzen Block auf, intoniert Westernhagens rührseliges Heimatstück „Wieder hier“ und fesselt sie.
Fortan entspinnt sich eine musikalische Nummernrevue, die mehr oder minder ohne jede Handlung auskommt und die einzelnen Szenen inhaltlich allenfalls rudimentär verbindet. Was hier oder da ein Charakter hätte werden können, etwa ein autoritärer Chorleiter, der das vom Freiheitskampf erzählende Kinderlied „Auf einem Baum ein Kuckuck (saß)“ singen lässt, bleibt eine Andeutung.
Dem Ensemble rund um Regisseur Torsten Krug gelingt ein Stück, das musikalische Höhen wie Tiefen hat und in dem jeder der sechs SchauspielerInnen einzelne Glanzlichter setzen darf. Dazwischen gibt es auf der von Transportboxen, einem Kühlschrank sowie einer Kleiderstange umrahmten Bühne immer wieder gelungene szenische Ideen. Auch wenn sich manch andere nicht erschließt.
Musikalisch reicht die Spanne von Schumanns „Ich grolle nicht“ über „Brüder, zur Sonne, zur Freiheit“ bis hin zu Rammsteins USA-kritischem „Amerika“. Dazwischen gibt es mal zivilisationskritisch Zynisches, mal Funny van Dannen, der seine Sympathien für den Umsturz liebevoll-ironisch auf eine Schilddrüsenunterfunktion reduziert.
Dass es hier um einen Aufstand der Kuscheltiere geht, zeigt sich nirgendwo deutlicher als am Schluss. Da steht zunächst Rio Reisers „Der Traum ist aus“, pathetisch und melancholisch, kraftvoll und kämpferisch. Wollte man aufrütteln – danach könnte nichts mehr kommen. Doch danach kommt Queen, „The show must go on“. Das heißt, um es mit den Fußballern zu sagen: Mund abputzen, weitermachen. Jan Zier
Weitere Aufführungen: 7., 14. Mai sowie 13. Juni, jeweils 19.30 Uhr