: Schlafen in der Suite des Rektors
AUS KÖLN SEBASTIAN HEISER
Auch Besetzer schnarchen. Insgesamt 48 Studierende schlafen in dieser Nacht, von Sonntag auf Montag, im Rektorat der Universität Köln. Die meisten Studiengebührengegner mümmeln sich auf dem Flur zwischen dem Zimmer des Rektors und den Toiletten in ihren Schlafsäcken. Auf dem Boden ist nur in der Mitte noch ein Pfad, den die Leute benutzen, die, einem dringenden Bedürfnis folgend, nächtens das Klo suchen. Zwei Besetzer liegen im Vorzimmer des Rektors, unter den Tischen der Sekretärinnen. Auch im Zimmer von Rektor Axel Freimuth hat sich einer auf einer Sitzbank ausgestreckt. Nicht alle können gut schlafen. Erstens wegen des Bodens, der ist trotz Isomatte ganz schön hart. Und dann sind da noch die Schnarcher.
Tagsüber sind bis zu 100 Leute gleichzeitig in den Räumen des Rektors und seiner Mitarbeiter unterwegs, es ist ein Kommen und Gehen. Seit Donnerstag letzter Woche halten sie das Rektorat besetzt. Immer wieder kommen neue Leute vorbei und schließen sich spontan an. Viele von ihnen haben erst wenig oder gar keine Erfahrung mit Studierendenpolitik gemacht.
Wie zum Beispiel Maria, die im zweiten Semester Regionalwissenschaften Lateinamerika studiert. „Ich bin nicht so desillusioniert wie viele andere Studierende, die glauben, dass man eh nichts verändern kann“, sagt die 20-Jährige. Sie findet Studiengebühren ungerecht und will sich einmischen. „Wir werden durchhalten“, ist sie sich sicher.
Oder Alan, der im zweiten Semester Informationsverarbeitung studiert. „Ich fürchte, dass viele Leute sich in Zukunft kein Studium mehr leisten können“, sagt er. Ob die Besetzung etwas verändert? „Ich verändere ja auch nichts, wenn ich zu Hause rumhänge. Aber hier ist es definitiv netter“, sagt er. Allein die Musik stört ihn. Alan ist Metal-Fan, die Besetzer hören „Bongo-Musik“, wie er sagt, oder Kampflieder wie „Die Internationale“.
Neben den Neulingen sind auch viele alte Hasen im Rektorat. Sie sind bei jedem Streik dabei, und auch diese Besetzung haben sie mit vorbereitet. Diese alten Hausen sind eine Gruppe von etwa 15 Leuten, die am Donnerstag eine Versammlung der Studierenden organisiert hatte. Dort sollte besprochen werden, was man gegen die drohenden Gebühren unternehmen kann. Geplant war, dort die Stimmung zu testen und für eine Demonstration am kommenden Mittwoch zu mobilisieren, wenn der Senat der Universität tagt, der über die Studiengebühren entscheidet. Doch zu der Versammlung am vergangenen Donnerstag kamen rund 200 Studierende, das war mehr, als von der Organisationsgruppe erhofft. Die Stimmung dort war aufgeputscht. „Warum reden wir hier nur und unternehmen nichts“, meldete sich eine Studierende und bekam dafür viel Applaus. So bildete man eine Spontandemonstration gegen Studiengebühren und ging zum Rektorat der Universität.
„Und als wir mit gut 100 Leuten hier drin standen und gemerkt haben, dass die Stimmung gut ist, konnten wir nicht mehr rausgehen. Dabei war die Besetzung erst für eine Woche später geplant“, sagt einer aus dem Organisationsteam. Er nennt sich Arthur Winkelmann, aber Namen zählen hier wenig. Viele Besetzer wollen nicht mit ihrem Namen in der Zeitung stehen und denken sich einen anderen aus. „Stefan Wiesner“ heißen gleich mehrere. Viele der Besetzer kennen ihre Universität und den Rektor schon lange. Sie sind die Diskussionen mit ihm leid und sind überzeugt davon, dass Gespräche nichts mehr bringen. „Die schauen dich an und lügen dir ins Gesicht“, sagt Till, VWL-Student im sechsten Semester. „Vor einem Jahr wollte ich auch noch mit denen diskutieren. Das habe ich dann ein halbes Jahr lang gemacht, und jetzt weiß ich, dass es keinen Zweck hat.“
Wie verhält man sich gegenüber einer Uni-Leitung, die sagt, dass sie auch gegen Studiengebühren ist? Die auf Diskussionsrunden die Gebührengegner unterstützt? Und dann am Ende sagt: Eigentlich sind wir ja dagegen, aber weil das Land seine Zuschüsse an die Universität kürzt ... und 500 Euro pro Semester bringen ja auch niemanden um.
Mehrere Stunden lang diskutieren die Besetzer an diesem verregneten Sonntag, was sie dem entgegensetzen können. Sie entscheiden sich für einen Flyer, in dem sie begründen, warum Gespräche keinen Sinn mehr machen. Darin stehen ein paar Zitate, die die widersprüchlichen Aussagen der Universitätsleitung belegen sollen. „Beide Seiten haben ihre Positionen klar gemacht und die sind nicht mit einander vereinbar. Jetzt kommt es darauf an, ob wir genug Druck aufbauen können, um Studiengebühren zu verhindern“, sagt einer der Stefan Wiesners. Und wenn nicht verhindern, dann wenigstens verzögern. Die Sitzungen des Senats so häufig sprengen, dass dort nichts beschlossen werden kann. Die Frage lautet: Wer sitzt am längeren Hebel?
Nur müssen dazu die Besetzer noch stärker mobilisieren. Heute und morgen werden sie in größeren Gruppen durch die Vorlesungen und Seminare ziehen und dazu aufrufen, am Mittwoch um 14.30 Uhr in den neuen Plenarsaal im Hauptgebäude zu kommen, wo der Senat tagen wird.
Die Besetzer machen sich auch Gedanken darüber, wie sie es schaffen können, nach außen nicht als isolierte Truppe zu wirken. Viele Studierende könnten allein schon von dem Wort „Besetzer“ abgeschreckt sein. Dabei ist es derzeit, streng juristisch gesehen, noch keine Besetzung, weil der Rektor sie noch nicht aufgefordert hat, zu gehen. Und so lange hat sich noch niemand strafbar gemacht. Darum steht in ihrem Flyer auch, dass die Besetzer eine bunt zusammen gewürfelte Truppe sind. Zweimal am Tag, um 10 und um 19 Uhr, machen sie ihr offenes Plenum, zu dem alle Unterstützer eingeladen sind. Willkommen sind auch Leute, die immer schon mal interessierte, wie das Büro des Rektors aussieht, das gleich links liegt, wenn man den Haupteingang der Uni betritt. Wer möchte, kann auch über Nacht bleiben. Nur Ohropax sollte mitbringen, wer ungestört schlafen will.