DGB fordert Lohn statt Hohn

Zentrale Forderung auf der DGB-Demo: ein gesetzlicher Mindestlohn von 7,50 Euro pro Stunde. Ver.di-Chef Bsirske: Deutschland muss westeuropäischen Standard erreichen

Auf der Gewerschaftsdemo am 1. Mai sind sie nicht zu übersehen: überlebensgroße Figuren, die Niedriglohnarbeiter wie Wachmänner oder Köche symbolisieren. „Arm trotz Arbeit“ prangt auf den Gestalten. Keine Frage – die Forderung nach gesetzlichen Mindestlöhnen ist zentrales Thema auf der DGB-Demonstration am 1. Mai, an der gestern mehr als 10.000 Menschen teilnahmen.

„Kein Lohn unter 7,50 Euro“ steht auf Ver.di-Fahnen, die im Demozug immer wieder auftauche. Eine junge Frau hat sich ein Schild um den Hals gehängt, Aufschrift: „Mindestlohn – Ja, Lohndumping – Nein“. Auch eine Gruppe von Anhängern der Bundes-WASG wirbt für festgelegte Mindesteinkommen. „Zeit für Taten: 8 Euro Mindestlohn. Gesetzlich garantiert“ steht auf ihrem orange Transparent. Außer Sichtweite versuchen zwei Berliner WASG-Mitglieder, Unterschriften für einen eigenständigen Wahlantritt zu sammeln.

WASG und Linkspartei.PDS, die zu einer neue linken Partei fusionieren wollen, haben am Wochenende auf ihren Parteitagen eine Kampagne für ein gesetzliches Mindestentgelt von 8 Euro pro Stunde beschlossen. Die gemeinsame Bundestagsfraktion will einen entsprechenden Gesetzentwurf ins Parlament einbringen.

Den Gewerkschaften dürfte diese Initiative zupass kommen. Seit Wochen schon fordern die Gewerkschaften Ver.di und Nahrung, Genuss, Gaststätten einen gesetzlichen Mindestlohn von 7,50 Euro, der schrittweise auf 9 Euro angehoben werden soll.

Ver.di-Bundeschef Frank Bsirske bekräftigte auf der Berliner 1.-Mai-Demonstration diese Forderung. „Deutschland muss auf westeuropäische Standards aufschließen“, so Bsirske. Dort seien Mindestlöhne an der Tagesordnung. „Arbeit darf nicht arm machen.“ Gesetzliche Mindestverdienste stärkten nicht nur die Binnennachfrage, sondern verbesserten auch die Grundlagen der gewerkschaftlichen Lohnpolitik. Um zu verhindern, dass gut zahlende Branchen durch Mindesteinkommen nach unten gedrückt werden, schlägt Bsirske eine Kombination aus gesetzlichen und tariflichen Regelungen vor. In den Branchen, in denen die niedrigsten Tarifentgelte über dem Mindestlohn liegen, sollten die Tarifverträge für allgemein verbindlich erklärt werden. Damit wäre in dieser Branche der Tariflohn ein Mindestlohn.

Schon jetzt gebe es in Deutschland 130 Tarifverträge mit Stundenlöhnen von unter 6 Euro, kritisiert Bsirske. Eine Frisörin in Sachsen verdiene sogar weniger als 4,50 Euro. Nach Hartz IV könnten Arbeitslose gezwungen werden, eine Stelle mit einem Verdienst anzunehmen, der 30 Prozent unter dem ortsüblichen liege. Bsirske: „Wohin wir auch schauen, der Druck auf die Arbeitnehmer hält an.“

RICHARD ROTHER