aus der mensa: das schweigen der bohrer von HARALD KELLER
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Die beiden Maximen, die Wabbles Leben bestimmen, lauten „war günstig“ und „kann man immer mal brauchen“. Vor geraumer Zeit hat er sich bei einer Angebotsaktion einen Satz Bohrer gekauft, denn die waren günstig, und man kann sie immer mal brauchen. Vorausgesetzt, man hat ein Bohrgerät. Wabble hat keins, dafür in einigen Wochen Geburtstag. Zusammen mit den Einladungen zu seiner Party werden Wünsche ausgegeben. Lieber als alles andere hätte er ein Bohrgerät. Aber nicht irgendeins. Weil er es nur selten braucht, so die für Wabble typische Logik, verlangt er ein Modell teuerster Sorte. Denn, so referiert er vor den ehrfürchtig staunenden Tischgenossen: Bei den billigen Dingern ist im Nu der Akku leer und oft auch schnell kaputt, wenn man sie nicht regelmäßig benutzt. Da eben das bei Wabble der Fall ist, will er ein hochklassiges Profiwerkzeug.

Wabble könnte sich, falls er denn eines Tages tatsächlich mal mit Motorkraft bohren möchte, auch eines von Drolls Geräten leihen. Aber das lässt sein westfälischer Dickschädel nicht zu. Er will seine plumpen Hände auf etwas Eigenes legen. Droll, ein mit allen Rasierwassern gewaschener Heimwerker, der aussieht wie der Kalle Wirsch der Augsburger Puppenkiste, schüttelt den Wuschelkopf. Er steht jedem gern zur Seite, der dübeln, drechseln oder sonst was deichseln möchte. Für den anschließenden Nachmittag ist so eine Hilfsaktion im Freundeskreis geplant, weshalb er allerlei Kleinwerkzeug eingesteckt hat. Hanni bemerkt es und lästert: „Ich kann deine Zange sehen.“

Geierschnabel nutzt die Vorlage und echauffiert sich lautstark: „Du Schamverletzer!!“ Grinsend erfreut sich Droll an den entsetzten Blicken der umsitzenden Lehramtsstudentinnen und erklärt gelassen: „Vor allem, die spannt so in der Tasche.“ Notthoff resümiert beeindruckt: „Exhibitionist und Spanner in einem – das hat man selten.“

Ganz woanders mit seinen Gedanken ist wieder einmal Klumpe. Zusammenhanglos beginnt er von seinem Besuch in einem Asien-Shop zu erzählen. Dort kauft er gern die neuesten Bollywood-Filme und nebenbei auch ein paar Lebensmittel. Soeben doziert er über iranische Mini-Gewürzgurken, die ausgesprochen schmackhaft seien, aber kein Ersatz für die Nahrung, die er zu sich nimmt, wenn die Mensa geschlossen hat: indische Trockensuppen zum Aufbrühen. Doch die sind knapp in diesen Tagen, werden sie doch vermehrt ins pakistanische Erdbebengebiet geliefert statt ins wohlversorgte Europa. Der versierte Warentester Klumpe weiß, dass es sich bei dem herangeschifften Lebensmittel um Armeeware höchster Güteklasse handelt, und empfiehlt Fertigsuppen in Aluverpackung. Die seien besser als das Tütengebrösel.

„Lecker“, findet Geierschnabel und lässt ein Würggeräusch hören. „Mal was anderes“, leitet Strunk einen Themenwechsel ein. „Liegt es eigentlich am juckenden Fußpilz, dass die Inder in ihren Filmen immer so herumhüpfen?“ – „Kulturbanause“, blafft Klumpe und verfällt beleidigt in Schweigen. Es ist erst wieder alles gut, als das Kommando „Nachtisch!!“ ausgegeben wird und sich alle Löffel gleichzeitig ins Dessert senken – eine saubere Choreografie wie in einem Bollywood-Film.