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Archiv-Artikel

From Lagos With Love

FILM „Drama Consult“ zeigt die Geschichte dreier aufstrebender Unternehmer aus Nigeria, die deutsche Geschäftspartner suchen

Wer will schon Geschäfte mit Nigerianern machen? Dem Land der Internet-Betrüger und Abzocker, der Ölverseuchung und der Massaker? Keines der großen Schwellenländer ist so massiv mit Vorurteilen belastet wie Nigeria. Und selbst Gutwillige sehen Nigeria als zwar aufregendes und ungestümes, aber auch undurchsichtiges und anstrengendes Land, um das man besser einen großen Bogen macht.

Die deutsche Filmemacherin Dorothee Wenner begleitet in ihrem Film „Drama Consult“ drei nigerianische Geschäftsmänner, die aus Lagos nach Berlin kommen, um Partner zu suchen. Immobilienmakler Dolapo Ajayi braucht Kapital, Autoteilehändler Sam Aniama und Schuster Femi Oladipo brauchen Lieferanten. Sie stellen sich vor diverse mehr oder weniger ahnungslose deutsche Unternehmer bodenständigen Typs hin und versuchen, mit ihnen ins Geschäft zu kommen. Es gehört zum negativen Nigeria-Klischee, dass man sich sofort denken kann, wie diese Geschichte wohl ausgeht.

Nicht die Hölle auf Erden

Aber der Film bricht eben die negativen Klischees, in vielerlei Hinsicht. Nigeria ist gar nicht die Hölle auf Erden, sondern das größte Paradox der Welt: ein Land in atemberaubendem gesellschaftlichem und ökonomischem Wandel begriffen, mit hohen Wachstumsraten (über 6 Prozent im Jahr) und einer Bevölkerung von derzeit 173 Millionen Menschen, die sich bis Mitte des Jahrhunderts mindestens verdoppeln dürfte, womit es das bevölkerungsmäßig drittgrößte Land der Erde wäre. Wenn irgendwo die Hoffnung auf ein neues, besseres, stärkeres und protzigeres Afrika Wirklichkeit werden sollte, dann am ehesten in diesem erwachenden Giganten. Deutsche Geschäftsleute mit Blick auf zukünftige Märkte sollten das wissen. Die Feststellung der Beraterfirma McKinsey, dass es in Nigeria mehr Säuglinge gibt als in ganz Westeuropa und was das für eine einmalige Gelegenheit für Europas Windelhersteller sein müsste, hinterlässt bei Wirtschaftsgesprächen regelmäßig Eindruck.

Die meisten Deutschen wissen das aber nicht. Und der Dokumentarfilm stellt, wie Dorothee Wenner erklärt, eine „Laborsituation“ her: „Wir luden unsere Protagonisten aus Nigeria und Deutschland ein, in einer echten Probesituation aufeinanderzutreffen.“ Irgendwann sagt einer der Deutschen, er habe „seinen“ Nigerianer für einen Schauspieler gehalten und das Gespräch mit ihm für eine Filmszene. Was es ja auch war. Erst als der Nigerianer ohne Kamerateam wiederkam und immer noch über Geschäfte redete, außerhalb des Films, wurde das alles real.

Der wahre Held des Films ist aber gar keiner der Geschäftsmänner aus Nigeria, sondern eine nigerianische Frau. Resolut und direkt berät sie die Männer vor ihrer Reise, begleitet sie nach Deutschland, bekocht sie, betreut sie, belehrt sie und hat alles in der Hand. Man wüsste gern mehr darüber, welche Geschäfte sie eigentlich in Deutschland macht und mit wem. Möglicherweise besteht die Antwort auf diese Frage ja gerade in diesem Film: eine deutsch-nigerianische Kooperation, die in einen Film über deutsch-nigerianische Kooperation mündet, in der deutsch-nigerianische Kooperation gespielt werden muss, damit sie echt werden kann. Eine hohe Kunst der Paradoxie, die selbst in Nigeria auf Anerkennung treffen dürfte. DOMINIC JOHNSON

■ „Drama Consult“: Hackesche Höfe, Berlin-Premiere heute, 19 Uhr, mit anschließendem Filmgespräch