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Archiv-Artikel

„Wir haben einen Film im Kopf“

ELKTRO-TANGO Philippe Cohen Solal und Eduardo Makaroff vom Gotan Project im Gespräch: über das Verhältnis von Kino und Musik, Arbeiten für Hollywood und Tarrantino-Gitarren

INTERVIEW DANIEL BAX

taz: Herr Solal, Herr Makaroff, Ihre Musik wird oft „kinematografisch“ genannt. Haben Sie einen Film im Kopf, wenn Sie Ihre Stücke schreiben?

Philippe Cohen Solal: Da ist etwas dran. Auf unserem ersten Album gab es Tracks, von denen ich dachte, die könnten sich gut in einem Film von Pedro Almodovar machen. Und unsere neuen Stücke trugen zum Teil Arbeitstitel wie „David Lynch Tango“.

Wie kommt das?

Eduardo Makaroff: Wir alle haben für Filme gearbeitet und bewundern Regisseure, die in ihren Filmen eine ganz eigene Atmosphäre entstehen lassen. Das ist wohl auch der Grund, warum man unsere Musik in so vielen Filmen oder TV-Serien findet.

Musik für Filme zu schreiben – ist das anders, als Gotan-Tracks zu komponieren?

Solal: Filmemacher und Musiker, das ist immer eine spezielle Beziehung – weil beides Künstler sind. Darum gibt es so viele unglaubliche Geschichten über Hitchcock und den Komponisten Bernard Hermann, oder über Nino Rota und Fellini – es ist eine Hassliebe. Aber der Regisseur ist der Boss. Wenn wir an einem Album arbeiten, sind wir unser eigener Chef.

Wenn Sie Musik für Filme schreiben, ist das heute anders – jetzt, wo Sie berühmt sind und viele Angebote bekommen?

Makaroff: Wir bekommen gar nicht so viele Angebote – zumindest nicht so viele interessante. Unsere Stücke werden zwar in Filmen benutzt. Aber es kam noch kein Regisseur, der einen ganzen Soundtrack von uns haben wollte. Wir warten noch auf den Richtigen.

Gotan-Tracks tauchten in Blockbustern wie „Shall We Dance“ und „Ocean Twelve“ auf. Wie ist es, mit Hollywood zu arbeiten?

Solal: Einfach. Für „Shall We Dance“ mussten wir den Song nur ein wenig überarbeiten, um das Titelthema des Films aufzunehmen. Es ist das zentrale Stück, zu dem Richard Gere und Jennifer Lopez tanzen. Hollywood hat viele Fehler, aber auch viele Vorzüge, was Effizienz und Professionalität betrifft. Da ist die Arbeit einfacher als mit manchen französischen Regisseuren.

Sie haben den Vergleich?

Früher war ich mal musikalischer Aufnahmeleiter und habe da für eine Menge Regisseure gearbeitet, von Lars von Trier über Zhang Yimou bis zu Robert Altman. Je erfahrener sie waren, desto einfacher war es. Aber manche haben mir wirklich den Verstand geraubt – und mir dafür noch nicht einmal im Gegenzug einen guten Film geschenkt. Sonst wäre es ja okay gewesen.

Regisseure wie Wong Kar-Wai schneiden ihre Bilder zur Musik. Ist das eine gute Idee?

Ich empfehle jedem Regisseur, das zu tun. Fast alle Regisseure aber schneiden ihre Filme lieber zu einer anderen Musik und bitten dann einen Komponisten, ihnen eine Filmmusik zu schreiben. Oder sie bitten einen Musiker, ein paar Töne zu den Bildern zu komponieren.

Man sollte es so machen wie der französische Komponist Michel Legrand. Als er nach Hollywood kam, sollte er die Musik zur „Thomas Crown Affair“ schreiben. Vor dem Schnitt sah er eine fünfstündige Fassung des Films und sagte dann zum Regisseur und zum Produzenten: Ich komme in drei Wochen mit der Musik aus Paris zurück und ihr schneidet den Film danach. Sie waren überrascht, aber sie stimmten zu. Darum ist der Film so fantastisch geworden: weil die Verbindung von Musik und Bildern so perfekt ist. Man denke nur an die Szene, in der Faye Dunaway und Steve McQueen Schach spielen – das ist eine der erotischsten Szenen der Filmgeschichte.

Makaroff: Zu Wong Kar-Wai möchte ich noch hinzufügen, dass er mit „Happy Together“ den besten Film über Buenos Aires gemacht hat – und das, obwohl er aus Hongkong und nicht aus Argentinien stammt.

Heute gehen viele Regisseure wie DJs vor und bauen ihre Lieblingssongs in Filme ein.

Das kann auch toll sein. Stanley Kubrick hat gesagt: Warum soll mir jemand klassische Musik komponieren, wenn ich Beethoven oder Mozart oder Wagner benutzen kann? Da hat er recht. Das ist eine Entscheidung.

Tarrantino hat so seinen Stil geprägt. Manchmal sagen wir auch: Komm, lass uns eine Tarantino-Gitarre einsetzen. Natürlich spielt Tarrantino keine Gitarre. Aber jeder weiß, was gemeint ist.

Auf Ihrem neuen Album finden sich Anklänge an US-Western und Alternative Country. Haben Sie ein Faible für Americana?

Makaroff: Es gibt viele amerikanische Banditen, die nach Südamerika geflüchtet sind. So wie Butch Cassidy and Sundance Kid. Insofern gibt es da einen Zusammenhang. Aber der Tango und die argentinische Folklore bilden bei uns den roten Faden. Wir versuchen nur, um diese Musik herum etwas Neues zu schaffen.

Auf Ihrem letzten Album „Lunatico“ haben Sie die Musik aus „Paris, Texas“ zitiert. Was verbinden Sie mit diesem Film?

Solal: Als ich ihn das erste Mal sah, habe ich mich natürlich in Nastassja Kinski verliebt – und bin es immer noch (lacht). Und dann hat mich die Einsamkeit dieses Mannes in der Wüste berührt. Die Story ist sehr emotional. Ich muss noch immer fast weinen, wenn ich daran denke.

■ Gotan Project: „Tango 3.0“