LESERINNENBRIEFE
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Geistlicher Beistand

■ betr.: „Nicht mit meinen Steuern“, taz vom 21. 10. 13

Wenn die Familie Quandt (BMW) der CDU 690.000 Euro spendet, so könnte sich der eine oder andere Linksradikale schon einen hauchzarten Kausalnexus vorstellen, zu den Bemühungen der Bundesregierung, strengere Abgasnormen auf EU-Ebene zu vermeiden. Aber was bekommt der Staat eigentlich für die 475 Millionen Euro (plus 50 Millionen für Gebäude), die er der katholischen Kirche pro Jahr zukommen lässt? Seit 200 Jahren übrigens. Geistlichen Beistand? BERND TELGENBUESCHER, Frankfurt am Main

Unverschämt angemacht

■ betr.: „Zitat der Woche – Birgit Schrowange“, taz vom 19. 10. 13

Ab Mitte zwanzig hatte ich die ersten grauen Haare. Nun, mit 45 Jahren, sind sie ungefärbt auch fast weiß. Vor allem Männer, jung wie alt, äußerten sich schon häufig unverschämt, und dies ungefragt; der älteste war weit über siebzig! Einmal, als ich Mitte dreißig war, sprach mich eine fremde Frau auf der Straße an, um mir Respekt dafür auszusprechen, die grauen Haaren nicht zu färben. Seit einem halben Jahr habe ich damit begonnen, sie zu färben, weil ich mir so alt vorkomme. RITA CZERWONKA, Karlsruhe

Versagen vor der Geschichte

■ betr.: „Grüner Richtungsstreit“, taz vom 18. 10. 13

Dieser sogenannte Richtungsstreit zwischen Dieter Janacek und Daniel Wesener fand im selben Tunnel statt. Beide wollten zum Licht an verschiedenen Enden des Tunnels, aber das Licht stammt in beiden Richtungen nur von einem entgegenkommenden Zug! Der eine Zug trägt die Bezeichnung konservative Ökologie, der andere sozialdemokratische Umverteilungsbonbons. Zum Licht der Erkenntnis geht es aber nicht auf befahrenen Gleisen, sondern – horribile dictu – vielleicht doch eher durch die Tunnelwand des finanzkapitalistischen Systems.

Eine Ökologie, die nicht dieses Profitsystem bekämpft, hat keine Chance, selbst wenn mit grünen Ideen angeblich schwarze Zahlen in der Realwirtschaft geschrieben werden (Wachstumsmythos). Die Finanzströme zu Gunsten der Investment- und Spekulationsbanken lassen sich nicht wirklich durch eine verfassungsrechtliche Schuldenbremse aufhalten; darin irren die zu Sparkommissaren (Bildung!) mutierten Grünen in Baden-Württemberg. Finanzsystembedingte Schulden treiben aber eine Austeritätspolitik an, die weitgehend Staatsfunktionen (außer natürlich Polizei und Militär) auflösen wird; dann gibt es auch für eine langfristige konservative ökologische Politik keinen handlungsfähigen Akteur mehr.

Die grausame Perspektive, zwischen zwei Nostalgiezügen geplättet zu werden, ist eine echte Chance für mutiges neues Denken. Das ist bei einigen Europa-Parlamentariern der Grünen vorhanden; selbst bei einem „intellektuellen Vordenker seines Parteiflügels“ (taz über Wesener) ist dies nur in homöopathischer Verdünnung erahnbar. Wahltaktische Überlegungen à la Kretschmann und ein oder mehrere „Richtungsstreits“ der gegenwärtigen Art werden aus einer Perspektive im Jahre 2021 Fußnoten zu den epochalen Ereignissen gewesen sein: Versagen vor der Geschichte. RAINER NOLTE, Bad Boll

Kurdenfrage nicht gelöst

■ betr.: „Chance oder Blabla?“, Kommentar zu den Beitrittsgesprächen zwischen EU und der Türkei, taz vom 23. 10. 13

Jürgen Gottschlich hat Recht, wenn er die Hausaufgaben der EU-Staaten benennt, die erledigt werden müssen, ehe substanzielle Beitrittsgespräche mit der Türkei geführt werden können. Doch zusätzlich ist als Grundbedingung auf die friedliche politische Lösung des türkisch-kurdischen Konflikts zu drängen. Nach anfänglich vielversprechenden Ansätzen wird dieser Prozess gegenwärtig von Ankara sabotiert.

Schon einmal, im Jahr 2009, waren die Hoffnungen auf eine Aussöhnung groß. Doch nach den damaligen Kommunalwahlen zog Ankara zurück und begann eine Politik der Repression gegenüber kurdischen Repräsentanten. Seitdem sitzen über tausend Juristen, Journalisten, Studenten, Intellektuelle, Jugendliche und gewählte Vertreter und Bürgermeister in Untersuchungshaft.

Wieder sind große Hoffnungen aufgekommen, doch wieder stehen auch wichtige Kommunal- und Parlamentswahlen vor der Tür. Außerdem möchte sich Premierminister Erdogan 2014 zum Staatspräsidenten wählen lassen. Die aktuelle Frage lautet: Wird sich dieses Spiel 2013/14 wiederholen?

Seit Anfang Mai 2013 verlief der Rückzug der kurdischen Guerilla in den Nordirak ohne wesentliche Zwischenfälle. Doch es gab keine der verabredeten Zugeständnisse Ankaras, das nicht einmal symbolische Gesten der Vertrauensbildung, wie die Entlassung der vielen Verhafteten ohne Anklage, unternahm. Stattdessen baut es Kasernen in den kurdischen Siedlungsgebieten massiv aus und stationiert dort viele Truppen. Nun glauben nicht mehr viele an einen Aussöhnungsprozess.

Die EU hat im Falle Zyperns den großen Fehler gemacht, das geteilte Land aufzunehmen. Bis heute hat dies zu riesigen Problemen geführt. Daraus muss die EU Lehren ziehen und sich auch gegenüber dem Nato-Partner Türkei strikt für eine längst überfällige Beilegung des türkisch-kurdischen Konflikts einsetzen. Dazu gehört in erster Linie eine Zurücknahme der Terrorismus-Einstufung der kurdischen Seite in der EU und vor allem auch in Deutschland. Das wäre ein wichtiges Signal an Ankara, den Aussöhnungsprozess ernsthaft fortzusetzen. ANDREAS BURO, Grävenwiesbach