: Mehr Höfe von Biobauern gesperrt
LEBENSMITTEL Der Skandal um Dioxin in Bioeiern weitet sich aus. Auch Naturlandbetriebe betroffen
ÖKO-KONTROLLEUR NEUENDORFF
BERLIN taz | Der Samstag war für Biobäuerin Theresia Stöcker hart. Da musste sie den Kunden auf ihrem Hof in Rösrath nahe Köln erklären, warum die Behörden ihr den Verkauf von Hühnereiern bis auf Weiteres verboten haben: „Wir haben möglicherweise Futter aus der Ukraine bekommen, das mit Dioxin belastet ist“, sagt die Landwirtin, die einen 17 Hektar kleinen Hof mit 500 Hühnern und viel Gemüseanbau betreibt. Die Tränen hätten ihr in den Augen gestanden, erzählt sie. „Das wird jetzt von der anderen Seite ausgeschlachtet. Von wegen: Ja, Bio ist auch nicht besser als die anderen“, sagt Stöcker unter Schluchzen.
Tatsächlich weitet sich der Dioxin-Skandal aus, sodass Ökokritiker wieder Konjunktur bekommen haben. Bisher waren nur Betriebe in die Schusslinie geraten, die nach den Mindeststandards der EU-Ökoverordnung wirtschaften. Sie liefern zum Beispiel an Discounter wie Aldi Süd und Lidl. Diese haben inzwischen möglicherweise belastete oder sogar alle Ökoeier aus den Regalen genommen.
Doch nun stellt sich heraus: Auch Mitgliedsbetriebe des Biobauernverbands Naturland, dessen Regeln als streng gelten, haben das Dioxinfutter erhalten. „Etwa ein Dutzend Naturlandbetriebe sind schon gesperrt“, sagte der Chef der Organisation, Felix Prinz zu Löwenstein. Er verteidigte, dass Naturland seinen Mitgliedern erlaubt hatte, ukrainischen Futtermais zu verwenden: „Es war nicht genügend Futter von Naturlandbetrieben verfügbar.“ Deshalb habe der Verband die Genehmigung erteilt, nur nach der Ökoverordnung zertifiziertes Futter zu kaufen. „In solchen Fällen verlangen wir aber zusätzliche Analysen.“
Zahlen, wie viele Eier tatsächlich verseucht sind, gibt es immer noch nicht. Allerdings wurden nach Angaben beteiligter Futterwerke 2.500 Tonnen dioxinbelasteter Mais aus der Ukraine importiert. Geht man von einem Verbrauch von 30 Gramm pro Tag und Tier aus, ließen sich mit dieser Menge 83 Millionen Hühner einen Monat lang füttern. Laut Bundesamt für Verbraucherschutz ist das Futter in neun Bundesländer geliefert worden. Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen zum Beispiel haben deshalb mehrere Betriebe vorläufig gesperrt.
Vertreter der Biobranche gehen nun in die Offensive und wollen die Behörden in die Pflicht nehmen. „Die amtliche Futtermittelkontrolle funktioniert nicht“, sagte Jochen Neuendorff, Geschäftsführer der privaten Ökokontrollstelle Gesellschaft für Ressourcenschutz. „Das hätte bei einem konventionellen Futtermittel genauso passieren können.“
Nordrhein-Westfalens Landesamt für Verbraucherschutz (Lanuv) wies die Vorwürfe zurück. Allerdings räumte Sprecherin Babette Winter ein: „Wir können nur Stichproben machen.“ In NRW etwa würden im Jahr 300 Futtermittelproben genommen. Dabei verfügt das Land über zahlreiche sehr große Betriebe, in denen Tiere gehalten werden.
Nach Angaben des Bundesinstituts für Risikobewertung in Berlin besteht keine akute Gesundheitsgefahr für die Verbraucher. Man müsse allerdings darauf achten, die Langzeitbelastung mit dem Umweltgift so gering wie möglich zu halten. Die FDP-Bundestagsabgeordnete Christel Happach-Kasan forderte eine lückenlose Aufklärung der Dioxinfunde. JOST MAURIN
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