: Ankläger angeklagt
SCHEINEHE-PROZESS Die Staatsanwälte hätten ihn zur Falschaussage gedrängt, sagt SPD-Politiker Ciftlik
Am dritten Verhandlungstag des Scheinehe-Prozesses vor dem Amtsgericht St. Georg ist am Montag der Mitangeklagte Bülent Ciftlik in die Offensive gegangen. Der SPD-Politiker warf der Staatsanwaltschaft, aber auch seinem Ex-Verteidiger Thomas Bliwier vor, sie hätten ihn unter Druck gesetzt, ein falsches Geständnis abzulegen, um die Hauptverhandlung im letzten Moment zu verhindern.
Fest steht: Am Morgen des 15. April, nur einen Tag vor Beginn der Hauptverhandlung trafen Ciftlik und sein Anwalt Bliwier, der erst wenige Tage zuvor das Mandat übernommen hatte, bei der Staatsanwaltschaft am Gorch-Fock-Wall ein, um über die Einstellung des Verfahrens gegen einen Strafbefehl zu verhandeln. Laut Ciftlik hat ihm sein Verteidiger dringend angeraten, einen Prozess und die damit verbundene öffentliche Berichterstattung über Monate zu vermeiden. Ciftlik will schließlich damit einverstanden gewesen sein, wenn er dafür nichts einräumen müsste, was er nicht getan hat.
Anschließend sei er von dem Staatsanwalt und seinem Verteidiger, die sich seit ihrem gemeinsamen Studium duzen würden, regelrecht in die Zange genommen worden, eine vorbereitete Einlassung zu unterschreiben. In dieser habe er zugeben sollen, die späteren Eheleute miteinander bekannt gemacht zu haben. Das Ziel sei es von vornherein gewesen, eine Ehe zu vermitteln, um Kenan T. einen sicheren Aufenthaltsstatus zu verschaffen.
Nachdem Ciftlik sich geweigert habe, ein solches Schuldeingeständnis zu unterschreiben, soll Oberstaatsanwalt G. ihn mit den Worten „wir brauchen etwas für die Akte“ weiter bedrängt haben. „Da wurde unheimlich viel Druck aufgebaut“, so Ciftlik. Zudem soll der Staatsanwalt laut Bülent Ciftlik geäußert haben, es würden hier regelmäßig „falsche Geständnisse abgelegt, um öffentliche Verhandlungen zu vermeiden“. Als er sich weiter geweigert habe, sei es zum Bruch mit seinem Verteidiger gekommen, berichtet der Angeklagte.
Oberstaatsanwalt E., der dem Gespräch teilweise beigewohnt hat, wies die Darstellung Ciftliks empört zurück und bezeichnete sie als „hanebüchen“. Seine Behörde hätte einen Tag vor Verhandlungsbeginn „an der Entgegennahme eines Geständnisses“ von Ciftlik „aufgrund der erdrückenden Beweislage kaum Interesse“ gehabt. Es sei zudem „blanker Unsinn“, dass die Anklagebehörde „irgendein Interesse“ habe, „falsche Geständnisse zu produzieren“. Der Prozess wird am 26. Mai fortgesetzt. MARCO CARINI