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Archiv-Artikel

Stresemannstraße dreispurig

Planungswerkstatt will breitere Gehsteige und Tempo 30 vorschlagen. Die Altonaer CDU unterstützt diesen Vorschlag. Zöge der Senat mit, würde ein mehr als 15 Jahre währender Konflikt befriedet

von Gernot Knödler

Auf einer Hauptverkehrsstraße sollen Autos und Lastwagen auf eine Fahrspur verzichten. Mit diesem spektakulären Vorschlag will die Planungswerkstatt zur Stresemannstraße morgen ihre Arbeit beenden. Das Gremium aus Anwohnern, Politikern und Verkehrsexperten will auf dem Abschnitt zwischen der Kieler Straße und dem Neuen Pferdemarkt überdies Tempo 30 beibehalten und den Lärmschutz verbessern. Teilnehmer erwarten, dass die Beschlussvorlage nicht wesentlich verändert werden wird. Damit zeichnet sich eine Lösung für den mehr als 15 Jahre währenden Konflikt um den Verkehr in der Stresemannstraße ab.

Das Straßenstück in Altona Nord hat es in sich. 34.000 Autos täglich, knapp zehn Prozent davon Lastwagen, rollen hier durch eine Häuserschlucht. Fußgänger und Radfahrer drängeln sich auf schmalen Gehsteigen. Aus manchen Häusern tritt man fast direkt auf die Fahrbahn. „Das ist ein innerstädtisches Wohngebiet mit einer Hauptverkehrsstraße“, sagt Winfried Sdun, der für die GAL-Bezirksfraktion an der Planungswerkstatt teilnimmt.

Das Problem ist schon lange bekannt. Vor knapp 15 Jahren hat es ein Todesopfer gefordert: Die neunjährige Nicola S. wurde Ende August 1991 von einem LKW überrollt, als sie bei Grün mit ihrem Fahrrad die Straße überqueren wollte. Schon vorher hatte sich eine Bürgerinitiative gegründet und eine Verkehrsberuhigung für diesen Straßenabschnitt verlangt. Damals rauschten noch 43.000 Autos mit Tempo 50 durchs Viertel.

Nicolas Tod brachte den aufgestauten Unmut zum Überlaufen. Täglich blockierten hunderte AnwohnerInnen die Unglückskreuzung. Nach 14 Tagen gab der Senat auf. Er erklärte die beiden äußeren Fahrspuren zu Busspuren und begrenzte die Geschwindigkeit auf 30 Stundenkilometer. Der Verkehr schrumpfte auf 24.000 Wagen täglich.

Doch der Erfolg sollte nicht von Dauer sein. Die verblassende Erinnerung an der Protest und der sich wandelnde Zeitgeist machte die „beruhigte“ Stresemannstraße zum Medium der Reaktion. Die CDU und die Springer-Medien bemühten sie als Beispiel für eine angeblich verfehlte Verkehrspolitik des Rot-Grünen Senats. Für freie Fahrt auf der Stresemannstraße zu sorgen, war eine der ersten Aufgaben, die sich der neue Verkehrssenator Mario Mettbach von der Schill-Partei vornahm. Wieder kam es zu Protesten. Anfang 2002 gingen die Anwohner jeden Freitag auf die Straße. Mettbach bot einen Kompromiss an: Alle vier Spuren wurden frei gegeben, jedoch bei Tempo 30, nahegelegt durch Blitzer und eine Geschwindigkeitsanzeige.

Der Initiative reichte das nicht. Sie startete ein Bürgerbegehren, wurde aber von der damaligen Mehrheit in der Altonaer Bezirksversammlung ausgebremst. CDU, FDP und Schill-Partei machten sich das Anliegen der Strese-Ini formal zu eigen. Sie verhinderten damit einen Bürgerentscheid, der peinlich hätte enden können. Der Fall liegt bei Gericht.

Als es 2004 galt, eine neue Mehrheit in der Bezirksversammlung zu schmieden, brachte die GAL das Thema wieder auf und schrieb die Planungswerkstatt in den Koalitionsvertrag mit der CDU. Die Werkstatt solle nach einer „von allen Beteiligten akzeptierten dauerhaften Lösung suchen“. Mit dem jetzt auf dem Tisch liegenden Vorschlag scheint sie nahe davor zu stehen, zumal die Stadtentwicklungsbehörde mitgespielt hat.

Nach der Abstimmung am Samstag sollen Bezirksamtsleiter Hinnerk Fock (FDP) und Staatsrat Axel Gedaschko den Vorschlag der Verkehrswerkstatt entgegennehmen. „Das verhindert, dass er irgendwo in der Behörde versickert“, hofft der GALier Sdun.