Off-Kino : Filme aus dem Archiv – frisch gesichtet
„Some people think little girls should be seen and not heard, but I think: Oh Bondage! Up Yours!“, lautet das von der Sängerin Poly Styrene gesprochene Intro zum wohl bekanntesten Song ihrer Punkband X-Ray Spex. Denn der Punk änderte das Bild der Frau – mindestens mal in der Rockmusik: Dort wollten Frauen nicht länger als verfügbare Sexobjekte, sondern als gleichberechtigt wahrgenommen werden – und sie konnten ihre Anliegen auch ganz selbstverständlich in Text und Musik formulieren. Doch selbst wenn sie bloß mit den Jungs ein paar Bier trinken gehen wollten, war das im spießigen England der mittleren 70er-Jahre schon eine ziemliche Provokation. Die Regisseurin Zillah Minx, selbst Sängerin der Punkformation Rubella Ballet, hat für ihre Dokumentation „She’s A Punk Rocker U.K.“ eine Reihe von Protagonistinnen der ersten und zweiten britischen Punk-Generation vor die Kamera geholt: Neben Poly Styrene erzählen etwa Gaye Advert, Bassistin der Adverts, die Crass-Sängerin Eve Libertine sowie die Journalistinnen Caroline Coon und Julie Burchill von Teenager-Rebellion und der Lust an der Brüskierung, von spaßigen Konzerten, gewalttätiger Ablehnung, künstlerischer Selbstfindung und der Entwicklung politischen Engagements. Eine manchmal etwas holprige, aber notwendige Oral-History, ebenso erhellend wie unterhaltsam. (OF, 17. 5. White Trash Fast Food)
„Auf der anderen Seite der Leinwand“ heißt Bernd Sobollas Dokumentation über das 1904 entstandene Moviemento-Kino in Kreuzberg, den ältesten noch bespielten Kinosaal Berlins. Der besaß früher die Besonderheit, dass sich das Publikum die Filme für ein geringeres Eintrittsgeld in einem Saal jenseits der Leinwand ansehen konnte, in dem ein großer Spiegel das nunmehr seitenverkehrte Bild wieder richtig stellte. In übertragenem Sinn trifft der Titel aber auch auf die Programmmacher der Siebziger- und Achtzigerjahre zu (die bekanntesten sind Panorama-Leiter Wieland Speck und Filmregisseur Tom Tykwer), die hier von den Impulsen berichten, die das alte Lichtspielhaus der Off-Kinoszene Berlin geben konnte – auch und gerade, weil es immer wieder jungen Filmemachern eine Heimstatt für ihre ersten künstlerischen Arbeiten bot. Zudem erfährt man natürlich von viel Spaß, viel brotlosem Enthusiasmus – und davon, warum auch ein plötzlicher kommerzieller Erfolg so seine Tücken hat. Und das erfährt man alles an Ort und Stelle, im Moviemento. (15.–16. 5. Moviemento)
„What makes a man to wander?“ Die Frage des Titelsonginterpreten ist das zentrale Thema in John Fords Westernklassiker „The Searchers“ („Der schwarze Falke“ war der deutsche Titel): ein Film über Heim, Heimat und Heimkehr mit John Wayne in einer komplexen Rolle als verbitterter Rassist, mit Liebschaften, die sich niemals erfüllen werden, mit der Weite der Landschaft im grandiosen Monument Valley und mit der jahrelangen Suche nach einem von Indianern verschleppten weißen Mädchen. Im Rahmen der noch bis Ende Mai dauernden John-Ford-Retrospektive. (OF, 18. 5. Arsenal)
LARS PENNING