WM-Fieberkurve : Kleines Bedürfnis
Beim Anblick des rundum erneuerten Olympiastadions und bei der Vorfreude auf Fußballerlebnisse darin kommen bei vielen Menschen große Gefühle in Wallung. An die kleinen Geschäfte, die am Rande einer solchen Veranstaltung erledigt werden müssen, hat aber offenbar niemand gedacht. Während die Republik in den vergangenen Wochen erregt über „Verrichtungsboxen“ debattierte – Container, in denen Prostituierte die zur WM massenhaft erwartete Sexnachfrage befriedigen sollten –, wurde das mangelnde Angebot an Containern für weniger spektakuläre Verrichtungen sträflich vernachlässigt. Damit ist jetzt Schluss: Die Olympiastadion GmbH hat angekündigt, zur WM „Pinkelstreifen“ einzusetzen. Sie sollen verhindern, dass Besucher ihr kleines Geschäft außerhalb der Toiletten erledigen.
Als Vorbild vorangegangen ist Hertha BSC. Der Verein hat auf die prekäre Toilettensituation schon bei seinen Heimspielen reagiert. Wenn mehr als 60.000 Zuschauer kommen, werden zusätzlich acht Toilettencontainer aufgestellt, sagte Hertha-Sprecher Hans-Georg Felder. Zur Fußball-Weltmeisterschaft soll die Zahl der Container nach Angaben der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung auf 16 erhöht werden. Auch im Umfeld des Stadions soll es weitere Toiletten geben.
Mit Umsicht wurde im Sanitärbereich des Stadions dafür gesorgt, dass sich der Preis für VIP-Karten auch in kleinen Details auszahlt: Für die 3.850 Plätze im Nord- und Südbereich der Arena stehen 157 Toilettenplätze zur Verfügung. Für die übrigen rund 70.000 Zuschauer gibt es 743 WC-Sitzplätze und Urinale. Das macht ein Verhältnis von rund 25, beziehungsweise 94 Personen pro Lokus. Ein Aspekt, der bei der Kaufentscheidung für ein Ticket nicht unberücksichtigt bleiben sollte.
Unberücksichtigt blieb bislang allerdings die Frage, warum bei der Sanierung des Stadions nicht daran gedacht wurde, weitere Toiletten für die Zuschauer einzurichten. Dazu hätte man natürlich schon im Vorfeld eruieren müssen, wie oft der durchschnittliche Fußballfan im Laufe seines Stadionaufenthalts austritt. Aber wer will bei einer so schönen Sache wie Fußball schon an solche profanen Nebensächlichkeiten denken? LARS KLAASSEN