: Die ganz großen Themen
TAZPLAN Heute in den Programmtipps: Garantiert überfüllte Veranstaltungen zum sexuellen Missbrauch und zum gemeinsamen Abendmahl
VON KARIN SCHÄDLER
MISSBRAUCH
Die Stummheit bereden
Klaus Mertes war derjenige, der die aktuelle Missbrauchsdebatte ins Rollen gebracht hatte Der Rektor des Canisius-Kollegs in Berlin machte Missbrauchsvorwürfe öffentlich und löste damit eine enorme bundesweite Reaktion aus.
Möglicherweise dachten viele, bis zum Kirchentag sei das Thema längst wieder vom Tisch. Doch das wird auch die für vatikanische Verhältnisse rasche Entlassung von Bischof Walter Mixa nicht fertigbringen.
In jeder Woche kamen und kommen neue Vorwürfe gegen kirchliche Pädagogen ans Licht, seitdem Rektor Mertes an die Öffentlichkeit ging. Mit ihm diskutiert auf dem Kirchentag unter anderem Bischof Stephan Ackermann, der Beauftragte der deutschen Bischofskonferenz für Missbrauchsfälle in der katholischen Kirche.
Einen Schritt weiter geht eine Veranstaltung zur „Prävention sexualisierter Gewalt in der kirchlichen Kinder- und Jugendarbeit“. Neben einer Podiumsdiskussion gibt es hier auch konkrete Tipps: Welche Ansätze für die Jugendarbeit können helfen, sexualisierte Gewalt im vorhinein zu verhindern?
Freitag, 11 Uhr, Podiumsdiskussion „Sexueller Missbrauch in der katholischen Kirche“, Halle C1, Messegelände, 13 Uhr, Diskussion und Vorstellung „Dem sexuellen Missbrauch keine Chance“, Freifläche Süd, Zeltkirche, Olympiapark.
Pfade der Form
Das Schöne am Erleben ist doch gerade die Gemeinschaft. Dieses Wir-Sein und, nun ja, auch dieses Anders-Sein. Eine der verlässlichsten christlichen Gemeinschaftsstifterinnen ist die Uniform. Die allerschönste ist diese subtil gebrochene, wohl konservierte Basistracht der Basis, die Pfadfinder-Klamotte. Ein braunes Hemd mit vielen Wappen und bitte auch ein Halstuch, Rucksack, Schlafsack, einen Hut. Darunter wohlvertraut zerzaustes Haar und Duft nach Zugfahrt. Auffällig am stärksten, muskulösesten: diese männliche Beinfreiheit, die die meist kurzhosigen Pfadis scheu zur Schau tragen. Es sind pfundige Männer, sie zeigen Körperliches, was in der Großstadt uncool wirkte. Auf Kirchentagen haben Pfadis ihren Catwalk: Schön, das!
MK
BROTZEIT
Mahl ohne Eklat ?
Es wird wahrscheinlich die Massenveranstaltung des Ökumenischen Kirchentages 2010 in München werden – eine Art Ersatz-Abendmahl für Menschen aller Konfessionen. Ein wirkliches „Gemeinsames Abendmahl“ ist den Veranstaltern in diesem Jahr wohl zu brenzlig, da die beteiligten katholischen Priester nach dem letzten Mal vor sieben Jahren in Berlin abgestraft wurden. Noch so ein Eklat? Nein danke! Die Hauptsache ist doch, dass Menschen aus allen Konfessionen gemeinsam singen, beten, Worte aus der Bibel hören und miteinander ins Gespräch kommen. Sagen sie.
Die Orthodoxe Kirche lädt diesmal jedenfalls zu einem Gottesdienst ein, in dem gesegnetes Brot an 1.000 Tischen miteinander geteilt wird. Die Liturgie stammt von den orthodoxen Gemeinden in München, Lesungen werden von evangelischen, anglikanischen, baptistischen und katholischen Geistlichen abgehalten. Die ÖKT-Präsidenten Alois Glück und Eckhard Nagel halten Vorträge.
Doch nicht alle Besucher des Ökumenischen Kirchentages wollen sich so abspeisen lassen. Die Reformbewegung „Wir sind Kirche“ plant daher eine Protestaktion für ein gemeinsames Abendmahl.
Freitag, 18 Uhr, Gesegnetes Brot – Orthodoxe Vesper in ökumenischer Gemeinschaft, Bühne am Odeonsplatz
SÜNDER
Glauben auf Schalke
Norberts Filthaus’ Leute haben den Glauben gerade mal wieder verloren. Geile Saison gespielt, Gott sei Dank, nur schon wieder nicht Meister geworden. Wie immer. Schalke 04, verdammt noch mal.
Filthaus ist der Schalker Glaubensbewahrer vom Dienst. Als Schalke-Seelsorger ist der Fußballpfaffe in Gelsenkirchen harten Stoff gewöhnt – und soll berichten, wie die entmutigten Schäflein dennoch ins christliche Trockene geführt werden können. Da wird er Erfahrung haben.
Die Steilvorlage zur Diskussion geben er und andere ab 16 Uhr, anschließend diskutieren dann Ex-Evangelen-Chefin Margot Käßmann und Hans-Joachim Meyer, katholischer Präsident des 1. ÖKT 2003 in Berlin, darüber, wie sich die Verirrten entirren können. Sportparolen, La-Ola und Schalalalala sind nicht zu erwarten. Obwohl. Wer weiß? Zumindest eins ist garantiert: zwischendurch ein bisschen Jugendgospel. Halleluja. MK
Freitag, 16 Uhr, Halle C1, Messegelände: Ich glaub nix, mir fehlt nix. Kirchliche Anknüpfungspunkte, gelungene Beispiele: Martin Bartelworth, Geschäftsführer Creative Kirche Witten, Norbert Filthaus, Seelsorger auf Schalke, Bernd Janowski, Förderkreis Alte Kirchen; Diskussion: Margot Käßmann, Hans-Joachim Meyer, Moderation Claudia Nothelle, rbb
FUNDIS
Über die Endzeitstimmung
Je eindeutiger man gesagt bekommt, was richtig und was falsch ist, und je klarer die Welt in Gut und Böse aufgeteilt ist, desto sicherer kann ein Mensch sich in seinem Glauben oder auch in seiner Ideologie fühlen. Auch mit Blick auf das Ende der Welt und die Frage, wer irgendwann ins Paradies einziehen wird. Es sei denn, das Bild beginnt bereits zu bröckeln und man merkt, dass die Welt eben doch etwas komplizierter ist und zu einem großen Teil nicht schwarz oder weiß, sondern grau.
Auf einer Podiumsdiskussion zum Thema Fundamentalismus sollen die jeweiligen endzeitlichen Erwartungen in Christentum, Islam und Judentum miteinander verglichen werden. Welche Handlungsanweisungen leiten die Fundamentalisten der verschiedenen Religionen aus diesen Endzeiterwartungen ab?
Der Politikwissenschaftler Steffen Hagemann wird dabei sein. Er ist der Autor des Buches „Für Volk, Land und Tora“, in dem er die These vertritt, die antizionistischen Ultraorthodoxen in Israel und die messianischen Siedler hätten sich einander angenähert. Doch nicht nur diese These wird er gemeinsam mit dem Islamwissenschaftler Marwan Abou-Taam und Reinhard Hempelmann, dem Leiter der evangelischen Zentralstelle für Weltanschauungsfragen, diskutieren. Das generelle Thema der Veranstaltung werden die Endzeiterwartungen und der gegenwärtige Fundamentalismus in allen drei abrahamitischen Religionen sein.
Freitag, 19 Uhr, Podiumsdiskussion, Halle B0, Messegelände
PAARTHERAPIE
Stress im Paradies
„Was Gott zusammengeführt hat, das darf der Mensch nicht trennen“ lautet ein Standardsatz bei kirchlichen Hochzeiten. Wer diese Worte aus dem Neuen Testament dann so versteht, dass eine Ehe nicht geschieden werden sollte oder zumindest nicht leichtfertig aufgegeben, müsste eigentlich umso mehr Zeit und Kraft in die Beziehungsarbeit investieren. Doch was ist, wenn das Handwerkszeug dazu fehlt?
Viele Gemeinden und christliche Träger von Sozialeinrichtungen bieten vor Ort Beratungen und Kurse an, bei denen die Ehepartner bestimmte Techniken für den gemeinsamen Altag erlernen sollen. Wie man besser miteinander kommuniziert zum Beispiel oder dass es sinnvoll sein kann, eine bestimmte Zeit in der Woche für eine Art Aussprache zu verwenden, selbst wenn gerade gar kein Problem ansteht. Man kann ja auch mal über positive Dinge reden …
Auf dem Kirchentag jedenfalls wimmelt es ebenfalls nur so von Workshops für Partnerschaften dieser Art. Unter dem Titel „Romeo und Julia im Stress“ lernen Paare zum Beispiel, ihre Probleme besser zu managen. Andere Workshops gehen ins Detail und beschäftigen sich mit unerfülltem Kinderwunsch, der Erziehung pubertärer Kinder oder dem Leben in einer Patchworkfamilie.
Freitag: 11 Uhr, Workshop „Romeo und Julia im Stress“; 14 Uhr, Workshop „Abenteuer Pubertät“; 16 Uhr, Workshop „Unerfüllter Kinderwunsch“; 16 Uhr, Workshop „Leben und lieben in einer Patchworkfamilie“; Wittelsbacher-Gymnasium, Marsplatz 1
FRAUEN
Mehr als Lippenstifte
Frauen und Macht, Frauen und Gerechtigkeit, Frauen und Freiheit – im „Zentrum Frauen“ des Kirchentages werden etliche Fragen behandelt, die für Frauen heute wichtig sind. Wenn auch manchmal unter so kuriosen Titeln wie „Brot, Lippenstift und Rente“. Das Thema ist dafür ernst und wird unter anderem von der Soziologin Ute Gerhard diskutiert: „Was Frauen weltweit zum guten Leben brauchen und wie sie es bekommen“.
Auch zur „Ökumene der Frauen“ gibt es eine Podiumsdiskussion. Was bedeutet die Ökumene für Frauen, welche Kooperationen gibt es und welche Unterschiede? Abends spielt dann ein Frauenkabarett unter dem Titel „Kirchlich – kultisch – komisch“.
Mit der Bibel in gerechter Sprache beschäftigen sich zwei Veranstaltungen. Ein Gespräch zwischen lesbischen und heterosexuellen Frauen steht am Samstag unter dem Titel „Wir sind mitten unter euch“.
Freitag: 11 Uhr, Diskussion „Brot, Lippenstift und Rente“; 14 Uhr, Diskussion „Die Ökumene der Frauen“, St. Johann Baptist (Haidhausen), Johannisplatz 22; 14 Uhr, Vortrag „Bibel in gerechter Sprache – Ein Buch der Hoffnung“; 20 Uhr, Frauenkabarett, Kirchliches Zentrum, Edith-Stein-Gymnasium, Aula, Preysingstr. 105; Samstag, 16 Uhr, Gespräch „Wir sind mitten unter euch“, Kirchliches Zentrum, Katholische Stiftungsfachhochschule, Hörsaal J214, Preysingstr. 83
KÖRPEREINSATZ
Im Kreise tanzen
Nun kann man lange über eine Sexual- und Leibfeindlichkeit des Christentums sprechen und sogar taz-Sonderseiten zum Kirchentag unter dieses Motto stellen.
Allerdings sehen viele Christen das nicht so und finden sich in diesen Thesen gar nicht wieder. Stattdessen drücken sie ihren Glauben und ihre Hoffnung nicht nur durch lautes Singen, sondern auch durch ausschweifendes Tanzen aus. Was in anderen Kulturen zum Gottesdienst dazugehört, ist hier aber noch rar. „Worte werden Fleisch“ heißt darum eine Veranstaltung mit Tanzimprovisationen zum Mitmachen auf dem Ökumenischen Kirchentag.
Auch am Freitag und am Samstag laden den ganzen Tag über verschiedene Tanz-Workshops zum Mitmachen ein. Unter dem Titel „Damit ihr Hoffnung habt, tanzt!“ gibt es Kreistänze zum Mittanzen. Abends kann die Biodanza-Methode erlernt werden, bei dem das Tanzen als Möglichkeit genutzt wird, sich persönlich weiterzuentwickeln.
Zu Klavierbegleitung wird am Samstag zu Liedern der finnischen Messen getanzt und gesungen. Und auch alte und neue Kirchenlieder sollen mit Livemusik zum Mittanzen einladen.
Freitag: 11 Uhr, „Worte werden Fleisch“; 14 Uhr, „Damit ihr Hoffnung habt, tanzt!“; 20 Uhr, „Biodanza – Tanz des Lebens“; Samstag, 17 Uhr; „Einmal wird der Himmel singen – Lieder der finnischen Messen“, St. Wolfgang, Wolfgangssaal, Wolfgangsplatz 9