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Archiv-Artikel

Voran mit dem Marathon-Mann

Gleich zwei Bücher erscheinen über Christian Wulff. Ob halbamtlich oder eher gefühlig: Niedersachsens Ministerpräsident macht PR-mäßig mal wieder alles richtig

von KAI SCHÖNEBERG

Der deutsche Bundeskanzler soll männlich sein, jünger als 50 Jahre, studiert und auch schon mal einen anderen Beruf ausgeübt haben – so sahen es kurz vor der Bundestagswahl die Deutschen laut einer Emnid-Umfrage. Der 46-jährige Osnabrücker Anwalt Christian Wulff erfüllte diese Kriterien auch, und dennoch wurde der ewige Umfrage-König nicht Regierungschef – oder eher: Er ist es noch nicht. Wie geschickt Wulff die Medientastatur zu spielen weiß, zeigte gestern ein Doppelpack Wulff-Auftritte in Berlin. Da tingelte der niedersächsische Ministerpräsident gleich zwischen zwei Buchpräsentationen hin und her. Einmal zu „Der Marathon-Mann“, einer eher gefühligen Lebensbeschreibung von Focus-Korrespondent Armin Fuhrer, dann zu Karl Hugo Pruys „Deutschland kommt voran“, einer halbamtlichen Wulff-Biographie.

Pruys schildert den „MP“ als viel zu lange Unterschätzten. Die Medien, klagt der einstige CDU-Sprecher und Kohl-Biograph, hätten Wulff als „ewigen Verlierer, farblos und ohne Konturen“ geschildert. Aber nun sei das „längst vergessen“. Und dennoch, so der Verfasser, sei Wulff „gefeit gegen die Versuchung abzuheben“. Welch ein Politiker! Der Autor kreiert die „Generation Wulff“, streift mit ihm Bildung und Außenpolitik und fragt ketzerisch nach einem „Wulff im Schafspelz“, den es aber, laut berufener Köpfe wie Hans-Ulrich Jörges (Stern) oder Helmut Dietl („Rossini“), gar nicht gibt.

„Christian Wulff ist die überzeugende Antwort auf die Fragen, die sich das bürgerliche, liberale, konservative Lager in Deutschland nicht stellt“, sagt hingegen TV-Produzent und taz-Kolumnist Friedrich Küppersbusch über Wulff, der ihm noch zu Oppositionszeiten auf einem Bierdeckel sein erstes Interview als Kanzler versprochen hatte.

Damit nicht alles unkritisch bleibt, darf Wulff bei Pruys immerhin die schwarz-roten Koalitionsverhandlungen mit „allergrößtem Missvergnügen“ verfolgen. Natürlich macht der MP aber letztlich alles richtig. Da ist zum Beispiel die Forderung nach der Einführung der Direktwahl für Regierungschefs (siehe Kasten). Wenn die Bürger den Kanzler selbst bestimmen dürften, wäre das für Wulff nicht nur ein „Zugewinn an demokratischer Qualität in unserem Lande“. Das fordert auch das Volk selbst – satte 73 Prozent in der eingangs erwähnten Umfrage – wie auch seit Jahren der politikwissenschaftliche Mainstream, sowie Großpolitiker von Rau bis von Weizsäcker. Und darum, in diese Liga vorzustoßen, geht es Wulff ja.

Armin Fuhrer dagegen schildert Wulff als „Liebling der Schwiegermütter“, der als Sohn seine schwerkranke Mutter pflegte und später „quälende Jahre“ in der Opposition verbrachte. Natürlich gebe es die von Fuhrer behauptete Konkurrenz zwischen Angela Merkel und ihm nicht, sagte Wulff gestern. Schön, dass er außerdem zu Protokoll gibt, er sei nicht ehrgeizig genug für einen Posten in Berlin: Ihm fehle einfach „der letzte Wille zur Macht“.