american pie : Die Umarmung des Bären
Die Dallas Mavericks verlieren das erste Viertelfinalspiel gegen San Antonio, weil Dirk Nowitzki einfach zu selten an Bruce Bowen vorbeikommt
Neuen NBA-Richtlinien gemäß, verkündete Avery Johnson, sei von nun an die so genannte Bearhug Defense erlaubt. Diese „Bärenumarmung“ als Mittel der Verteidigung, ließ der Trainer der Dallas Mavericks mit unbewegtem Gesicht wissen, wäre an diesem Nachmittag von Bruce Bowen gegen Dirk Nowitzki mustergültig demonstriert worden. Es dauerte einen Moment, bis die versammelten Pressevertreter begriffen, dass der Coach zu scherzen beliebte.
Ansonsten waren die Mavericks nicht zum Witzeln aufgelegt. Man war sich einig: Die 85:87-Niederlage bei den San Antonio Spurs war unnötig. Bowen, einer der besten Verteidiger der Liga, hatte Nowitzki das gesamte Spiel lang auf den Füßen gestanden. Einer der Gründe, warum der Auftakt der Viertelfinalserie, so der niedergeschlagene Nowitzki nach dem Spiel, vor allem „eine verpasste Gelegenheit“ war. Denn während San Antonio in der ersten Play-off-Runde sechs schwere Spiele gegen Sacramento bestreiten musste und nur 36 Stunden Zeit zur Regeneration hatte, konnte sich Dallas fast eine ganze Woche lang auf die Konfrontation mit dem Favoriten vorbereiten. Tatsächlich versuchten die Mavericks den Gegner müde zu laufen, hielten das Tempo hoch und führten zur Pause mit sechs Punkten. Nach der Pause schien allerdings ausgerechnet Dallas die Luft auszugehen.
„Wir haben gut genug gespielt, um zu gewinnen“, glaubte Nowitzki. Am Ende habe das Glück entschieden, gab auch Gregg Popovich zu. „Es war ein Spiel“, so der Coach der Spurs, „das jeder hätte gewinnen können.“ Die Mavericks, die trotz guter Möglichkeiten den Korb nicht mehr trafen, verloren es schlussendlich. Gewonnen wurde es von Bruce Bowen, der Nowitzki nur 20 Punkte gestattete und dann auch noch gut zwei Minuten vor Schluss den entscheidenden Dreier versenkte.
Der 34-jährige Bowen ist bei Gegnern nicht gerade beliebt, hat er seine doch recht erfolgreiche Laufbahn darauf aufgebaut, dem besten Punktesammler des Gegners das Leben schwer zu machen. Dass er dabei nicht immer mit sauberen Mitteln zu Werke geht, gehört zu den Geheimnissen seines Erfolgs. Zwar schiebt, drückt und zerrt Bowen stets, solange die Schiedsrichter ihn nicht zurückpfeifen. Und immer wieder gerne unterläuft er seinen Gegenspieler, wenn der zum Sprungwurf abhebt. Aber mindestens so wichtig wie seine Verteidigung ist der Ruf dieser Verteidigung: Diesen mentalen Vorteil pflegt Bowen, indem er Vorwürfe seiner Gegenspieler, seine Methoden wären unter der Gürtellinie, nur mit einem freundlichen Lächeln kommentiert.
Diese Reputation hat sich Bowen erst in den letzten Jahren in San Antonio hart erarbeitet. Zuvor schien seine Karriere im Sand zu verlaufen: Bei seinen ersten Profistationen in Frankreich und der zweitklassigen CBA tat er sich noch als Punktesammler hervor, und als er endlich doch einen Vertrag in der NBA bekam, wähnte er sich auf dem Weg zum Star. Als er allerdings immer wieder von seinen Teams gegen andere Spieler eingetauscht wurde, begriff er eines Tages, dass er sich auf seine Stärken konzentrieren musste: Der Verteidigungsspezialist Bruce Bowen war geboren. Mittlerweile spricht selbst ein Kobe Bryant mit einer Mischung aus Hoch- und Verachtung von Bowen, der nicht einmal acht Punkte pro Spiel erzielt und zum Angriff vornehmlich den gelegentlichen Dreipunktwurf beiträgt, wenn Spurs-Star Tim Duncan unter dem Korb gedoppelt wird und nach außen passt.
Allerdings muss sich Nowitzki fragen lassen, warum auch er schon seit Jahren solche Schwierigkeiten hat mit dem ungefähr 15 Zentimeter kleineren Bowen. Der gebürtige Würzburger traut sich aber weder einfach über Bowen hinwegzuwerfen, noch mit dem Rücken zum Korb seinen Größenvorteil auszuspielen. „Ich weiß, dass ich gegen die Spurs nicht 35 Punkte pro Spiel machen werde“, sagte der Deutsche nach seiner letzten Begegnung mit Bowen, und es klang bereits etwas resigniert. Die nächste folgt heute Nacht in San Antonio. Wenn Dirk Nowitzki kein Mittel gegen Bruce Bowen findet, könnte die so hoffnungsvoll begonnene Play-off-Expedition der Mavericks unerwartet schnell zu Ende gehen. THOMAS WINKLER