DAS DING, DAS KOMMT : Vom Ball getrieben
Wie DER FUSSBALL das Leben eines Menschen verändern kann, erzählt Ronald Reng am Beispiel von Heinz Höher. Wer, bitte?
Kugelrund, gut 21 Zentimeter im Durchmesser und knapp 500 Gramm schwer: Seit Anfang der 1960er dreht sich Heinz Höhers Leben um ein paar Lederstreifen, um eine aufgeblasene Schweinsblase genäht. Beziehungsweise um deren synthetische Nachfolger. Heinz – wer? Da muss selbst der Fußballfan passen.
Dabei begleitet der Leverkusener die Bundesliga, die dieses Jahr ihren 50. Geburtstag feiert, seit dem ersten Spieltag: 1963 begann er seine Profikarriere im Trikot des Meidericher SV, saß neun Jahre später auf der Trainerbank des Vfl Bochum, wechselte in den 1980ern beim 1. FC Nürnberg schließlich auf den Managerposten.
Ein Comebackversuch als Trainer beim VfB Lübeck scheiterte 1996, weil Höher schon am ersten Arbeitstag umkippte: Zu viele Pillen hatte der Alkoholiker geschluckt, um die Entzugserscheinungen zu überspielen. Trainiert hat er später dann doch noch, bis vor kurzem die Jugend der SpVgg Greuther Fürth, wo er Juri Judt entdeckte. Nun ist Höher im Ruhestand – und seit drei Jahren trocken.
„Erfährt man nicht viel mehr über die Geschichte der Bundesliga, wenn man die Geschichte eines einzigen Mannes erzählt, als wenn man noch einmal all die Typen, Tore und Tabellen aufreiht?“ Das hat sich Ronald Reng gefragt, Torwart, preisgekrönter Sportjournalist – unter anderem für die taz – und Robert Enke-Biograf, als Höher ihn eines Tages anrief: „Bitte geben Sie mir nur ein paar Stunden Ihrer Zeit. Ich muss Ihnen etwas erzählen.“
Rund 100 Stunden hat der eigentlich für seine Wortkargheit bekannte Höher dann bekommen, um seine Lebensgeschichte zu erzählen, die Reng wiederum als „andere Geschichte der Bundesliga“ vorlegt: in seinem Buch „Spieltage. Die andere Geschichte der Bundesliga“ (Piper 2013, 480 S., 15,99 Euro). Viel erfährt man in dem klugen Text über die Hintergründe des Ligafußballs. Und manch charmante Geschichte wie jene von der plötzlichen Vereisung des Spielfeldes zwei Tage vor dem Spiel Bochum gegen Schalke: Da hatten Höher und Helfer nachgeholfen, mit eimerweise Wasser aus den Duschen.
Als „Fußballbuch des Jahres“ wurde Rengs Höher-Denkmal bereits im August von der Deutschen Akademie der Fußballkultur ausgezeichnet. Nun erhält er für die charmanteste Festschrift zum Liga-Jubiläum auch den mit 15.000 Euro datierten Sachbuchpreis von NDR Kultur. Der wird am Donnerstag im Herrenhäuser Schloss verliehen. MATT
■ Lesung und Gespräch mit Heinz Höher: Di, 5. 11., 19 Uhr, Medienhaus Neue Osnabrücker Zeitung; Lesung: Mi, 6. 11., 20.30 Hannover, Lehmanns Buchhandlung; Gala zur Verleihung des NDR Sachbuchpreises: Do, 7. 11., 19 Uhr, Hannover, Schloss Herrenhausen