: Rappender Rauschebart
BÄSSE Der Berliner HipHopper MC Fitti ist mit seinem Gute-Laune-Rap verblüffend erfolgreich – das liegt auch daran, dass er weiß, wie seine Fans und die Branche ticken
VON THOMAS WINKLER
Es ist schon so weit, dass Dirk Niebel meint, sich in aller Öffentlichkeit an MC Fitti ranwanzen zu müssen. Es war bei Markus Lanz, als der noch amtierende Entwicklungshilfeminister dem Fernsehmoderator versicherte, dass er den Mann mit dem langen Bart, der ihm da gegenübersaß, natürlich kenne, „weil ich lebe“. Dessen Erfolg finde er übrigens „echt unglaublich“.
Niebels populistischer Auftritt illustriert einerseits ja vor allem, wie tief die Verzweiflung der FDP sitzt. Andererseits aber hat der Politiker natürlich auch recht: Der Aufstieg von MC Fitti vom nicht ganz ernst zu nehmenden Quatschkopf des Berliner Rap zur bundesweiten Erfolgsgeschichte ist tatsächlich unglaublich.
Allerdings: Auch der Mann mit dem Bart kann nicht erklären, warum der Mann mit dem Bart eine große Nummer geworden ist. Wenn man wissen will, warum gerade „#Geilon“, das Debütalbum von MC Fitti, bis auf Platz zwei der Albumcharts geklettert ist, warum seine Videoclips Millionen Mal geklickt werden und er momentan die mittelgroßen Clubs des Landes füllt, dann kann einem auch MC Fitti nicht entscheidend weiterhelfen. „Ich weiß das nicht“, sagt er per Telefon am Tag nach einem ausverkauften Auftritt in München, einen Tag vor einem ausverkauften Auftritt in Dresden und gut einen Monat bevor sein Erfolgsalbum in einer aufgemotzten Version als „Übelst #Geilon“ noch einmal neu veröffentlicht wird.
Nicht dass sich Fitti, der seinen Name, sein Alter und so gut wie alle weiteren biografischen Details geheim hält, darüber keine Gedanken machen würde. Aber mehr, als dass er „irgendwie lustig“ und „vielleicht der richtige Mann am richtigen Ort zur richtigen Zeit“ gewesen sei, kann er nicht zur Aufklärung beitragen. Falsch ist das ja auch nicht: Dass er einen Nerv getroffen hat, das beweist sein erstaunlicher Erfolg. Und dass dieser Nerv vor allem der Lachnerv ist, das ist die hervorstechendste Qualität des Fitti’schen Schaffens.
Das beginnt mit dem Auftreten des Rappers, von dem nur bekannt ist, dass er im niedersächsischen Gifhorn aufgewachsen ist, eine Lehre als Elektroinstallateur abschlossen und nach seinem Umzug nach Berlin Kulissen für den Film gebaut hat, unter anderem auch für „Das Leben der anderen“. Mit Rauschebart, großer Sonnenbrille und Baseballmütze hat Fitti ein leicht wiederzuerkennendes Erscheinungsbild geschaffen, das allerdings keines der bislang bereitstehenden Images zwischen Gangsta- und Studenten-Rap erfüllt, sondern eher an Jürgen von der Lippe erinnert. Auch seine Songs sind schwer in althergebrachte HipHop-Schubladen einzuordnen, obwohl – oder gerade weil – sie zwar nicht allzu feinsinnig, aber sehr effektiv mit HipHop-Klischees spielen. Entscheidender aber ist, dass Fittis Raps nicht nur von Rap-Kennern verstanden werden können, sondern vor allem von einem breiteren Publikum. Dessen Lebenswirklichkeit reflektiert er ungebrochen, indem er in nahezu jedem Song über Beats aus fetten Bässen eine denkbar breite Palette von Markenartikeln, vom Automobil bis zum aktuellen App, bedient, sich auch sonst ständig auf Alltagskultur von Fernsehen bis Facebook bezieht und ansonsten leicht verständliche Wortkreationen wie „winkiwinki“ oder „bestello“ erfindet.
Das hat ihm den nicht ganz gerechtfertigten Ehrentitel „Helge Schneider des Rap“ eingetragen, aber dazu ist sein Humor nicht hintergründig genug. MC Fitti entstand zwar, so sein Erfinder, im Rahmen einer Kunstaktion, die eigentlich mit einer Ausstellung enden sollte. Nun aber, da sich die Kunstfigur verselbstständigt hat und ein „wild gemischtes Publikum“ anspricht, ist Fitti zufrieden mit seiner Rolle als nicht mehr allzu intellektueller Party-Rapper. „Ich bin kein Clown, aber ein Gute-Laune-Überbringer“, sagt Fitti, „bei mir kann man vom Alltag abschalten.“
Die Sache mit der guten Laune funktioniert überall: bei Deutschlands größtem HipHop-Festival Splash ebenso wie bei der Teenie-Sause The Dome oder am Nürburgring vor 15.000 Rock-Fans. „Krasser Hammer, ziemlich abgefahren“, fand Fitti seinen Auftritt bei Rock am Ring und bestätigt offenherzig, dass er auch ansonsten keinerlei Berührungsängste kennt: „Man muss alles mal gemacht haben, um darüber urteilen zu können.“ Dazu gehören für Fitti auch die bereits absolvierten Auftritte in der Prollsoap „Berlin – Tag & Nacht“, in einem Musikvideo von DJ Ötzi und auf dem Album der Synchronstimme von Spongebob.
Mittlerweile ist Fitti gar zum Werbeträger geworden; eine große Elektronikkette verwendet beispielsweise seinen Track „#futuretechnik“, oder Fitti selbst trägt das Firmenlogo eines Szeneausstatters ausgiebig auf Mützen und T-Shirts spazieren.
Damit vollzieht MC Fitti eine Entwicklung, die für einen, der in jedem Song ein paar Markennamen zitiert, nur logisch und in anderen Branchenzweigen des Unterhaltungsgewerbes wie Spitzensport oder Film sogar noch weiterentwickelt ist. MC Fitti ist also, auch wenn er sagt, dass das alles „kein bisschen geplant war“, nicht nur ungemein erfolgreich, sondern auch ein kultureller und kommerzieller Vorreiter. Oder anders gesagt: all das, was Dirk Niebel und die FDP nicht sind.
■ MC Fitti: „Übelst #Geilon“ (Styleheads Music/Groove Attack), erscheint am 6. 12.
■ Live: 2. 11. Astra (ausverkauft), 7. 2. 2014 Columbiahalle