: Aids-Prävention ist Zufall
Nicht mehr zeitgemäß, ineffektiv und abhängig vom Engagement einzelner LehrerInnen: Die Aufklärung über die tödliche Immunkrankheit ist an Bremer Schulen ein Randthema
von Eiken Bruhn
Wie sieht es mit der Sexualerziehung an Bremer Schulen im Allgemeinen und der Aufklärung über Aids im Besonderen aus? Das wollten CDU- und SPD-Abgeordnete von ihrer Regierung wissen. Erst vergangene Woche hatte passenderweise das Robert Koch-Institut mitgeteilt, dass die Zahl der Neuerkrankten in Deutschland von 2004 auf 2005 um 13 Prozent gestiegen ist. Die Antwort des Senats, über die heute in der Bürgerschaft gesprochen wird, lässt sich in etwa so übersetzen: Aidsprävention an Bremer Schulen ist veraltet, ineffektiv, zufällig.
So hält der Bildungssenator seine Unterrichts-Richtlinien zu den Themen für überarbeitungsbedürftig – sie stammen aus dem Jahr 1987 und beziehen sich zum Teil auf Literatur aus den 70er Jahren. Immerhin sollen der „Leitfaden zur Sexualerziehung“ und das „Merkblatt Aids“ neu herausgegeben werden.
Doch das Problem ist nicht allein das veraltete Info-Material, sagen diejenigen, die in Bremen Aidsprävention betreiben. „Alles Wissen nützt nichts, wenn ich es nicht anwende“, sagt Sabine Fischer, Sexualpädagogin bei Pro Familia. 148 Schulklassen haben sich im vergangenen Jahr bei Pro Familia in Bremen und Bremerhaven über Sexualität informiert, Aids spielte dabei stets eine Rolle. Doch diese zwei- bis dreistündigen Veranstaltungen für Schulklassen seien nur ein erster Anstoß, um sich mit dem Thema zu beschäftigen, sagt Fischer, viel zu kurz, wenn es darum ginge, auf eine Verhaltensänderung hin zu wirken. Sprich: Die meisten Jugendlichen wissen bereits, dass sie Kondome benutzen sollten, ob sie es machen oder sich trauen den Partner darauf anzusprechen, steht auf einem anderen Blatt. Effektiver seien Projekttage oder -wochen, sagt Fischer. Doch die können sich die Schulen nicht leisten. Immer wieder komme es vor, dass diese einen bereits gebuchten Termin absagen, weil sie ihn nicht finanzieren können. Die Informationsveranstaltungen sind hingegen recht begehrt, kosten sie doch nur einen Euro pro SchülerIn. Doch für einen Ausbau fehlt das Personal. „Wir bekommen mehr Anfragen als wir bedienen können“, sagt Fischer.
Neben Pro Familia und dem schwullesbischen Rat und Tat Zentrum hat auch die Bremer Aidshilfe – bevor die große Koalition 2003 die Einstellung ihrer Förderung beschlossen hat – 40 bis 50 Schulklassen im Jahr beraten, jetzt seien es noch 16, sagt Geschäftsführer Thomas Fenkl. Auch er findet, dass diese Form der Aidsprävention an ihre natürlichen Grenzen stößt, vor allem weil sie abhängig ist vom individuellen Engagement einzelner LehrerInnen und SchülerInnen. „Das ist Prävention nach dem Zufallsprinzip“, sagt er. Und: „Wir erreichen auf diese Weise nur einen Bruchteil.“ Aids müsse verbindlicher Bestandteil des Lehrplans werden, fordert er, und nicht nur unter medizinisch-biologischen Gesichtspunkten behandelt werden. Derzeit liegt es am Willen einzelner Lehrer, auf das Thema im Biologie- oder Politikunterricht näher einzugehen. Doch ob es sinnvoll ist, die Aufgabe per Fortbildung an Lehrkräfte zu delegieren – das bezweifeln wiederum die Pädagogen. „Wenn es um solche intimen Fragen geht, ist es besser, sich Fachkräfte von außen zu holen“, sagt der Sprecher der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft, Christian Gloede-Noweck. Er könne sich nicht vorstellen, dass LehrerInnen mit ihrer Klasse über sexuelles Verhalten sprechen und anschließend zum Normalunterricht übergehen.