: Der Verzögerer
Es war ein Rücktritt mit Verzögerung. Seine Erklärung hatte Matthias Rudolph schon Anfang September der Geschäftsstelle des Handball-Bundesligisten HSV zukommen lassen. Mit der Personalie an die Öffentlichkeit zu gehen, das überließ der 55-Jährige HSV-Geschäftsführer Christoph Wendt. Aber der zögerte – vielleicht weil er hoffte, dass Rudolph es sich noch mal überlegt. Und so schuf dieser Fakten.
Seinen Rücktritt vom Präsidentenamt erklärte er der Bild: Zur Begründung sagte der Apotheken-Unternehmer, bei aller Liebe zum HSV könne er sein Berufs- und Privatleben nicht gänzlich nach dem Verein ausrichten. Beigetragen hat zu dem Entschluss wohl auch die Episode mit dem ehemaligen Fußball-Profi Frank Rost: Der war gerade mal 43 Tage lang Geschäftsführer der Hamburger Handballer und bescherte die Zahlung einer Abfindung. Dissonanzen soll es zudem zwischen Rudolph und Trainer Martin Schwalb gegeben haben.
Rudolph war erst im Juli 2012 zum Präsidenten ernannt worden. Sein Vorvorgänger war sein Bruder Andreas, 58. Matthias wirkte wie ein Strohmann für Andreas, der den Klub im Februar 2005 in finanziell bedrohlicher Lage übernommen und mit Zuwendungen von mehr als 25 Millionen Euro hochgepäppelt hatte bis zum Deutschen Meister, DHB-Pokal- und Champions-League-Sieger. Rudolph, der Ältere, selbst solventer Medizinunternehmer, ist nur noch Hauptgesellschafter.
Die Frage, die sich nun viele Fans stellen: Was wird aus dem HSV, wenn die Rudolphs sich komplett zurückziehen, wenn sie auch nicht mehr als Sponsoren zur Verfügung stehen? Dann könnten am Handball-Standort Hamburg rasch die Bundesliga-Lichter ausgehen. Denn der Kader ist – aufgrund eines Anfalls von Kaufwut – mit 19 Profis reichlich aufgebläht. Der Verein bekommt schon jetzt finanzielle Zwänge zu spüren. Die Einnahmen aus dem Ticketverkauf und dem Sponsoring sind hinter den Erwartungen zurückgeblieben. Nur aufgrund einer Abschlagszahlung von Andreas Rudolph flossen die Septembergehälter an Spieler und Trainer. Das Ausscheiden im DHB-Pokal kostet den HSV weitere 150.000 Euro, die eingeplant waren.
Allem Anschein nach verspüren die Rudolphs zu wenig Anerkennung für ihr Engagement. Aus dieser Gefühlslage heraus sind schon häufig endgültige Abgänge entstanden. Matthias Rudolph indes versichert Kontinuität. „Dass der Verein unserer Familie am Herzen liegt, daran ändert sich nichts“, sagt er. „Nur muss ihn jemand anderer nach außen vertreten.“ Dieser „jemand“ wird nun gesucht – während die Angst vor der Pleite bleibt. CHRISTIAN GÖRTZEN