: Könnte er nach Berlin kommen?
JUSTIZ Kleine Rechtskunde zum Thema Snowden
FULDA taz | Wenn die Bundesregierung nur wollte, dann könnte Edward Snowden in Deutschland Aussagen machen und auch dauerhaft hier bleiben. Der US-Haftbefehl gegen Snowden führt nicht zwingend zur Auslieferung in die USA.
Es gibt zwei mögliche Verfahren, bei denen Snowden als Zeuge mitwirken könnte: Zum einen könnte die Bundesanwaltschaft ein Ermittlungsverfahren wegen Spionage einleiten. Zum anderen könnte der Bundestag einen Untersuchungsausschuss bilden und Snowden laden.
Wenn Snowden in Deutschland aussagen will, braucht er ein Aufenthaltsrecht. Das könnte ihm der Bundesinnenminister aus politischen und humanitären Gründen gewähren (Paragraf 22 Aufenthaltsgesetz). Eine solche befristete Aufenthaltserlaubnis würde mindestens sechs Monate gelten.
Wenn ein Untersuchungsausschuss Snowden als Zeuge benennt, kann der Innenminister diese Hilfe nur ablehnen, wenn andernfalls eine Staatskrise droht. Es geht also um eine politische Entscheidung.
Allerdings wird die USA dann die Auslieferung von Snowden verlangen. Schon am 3. Juli hat sie ein Festnahmeersuchen an Deutschland gerichtet.
Zwar besteht ein Auslieferungsvertrag mit den USA, der Deutschland grundsätzlich zur Auslieferung verpflichtet, doch gibt es auch Ausnahmen. Wenn Snowdens Tat als „politisches Delikt“ eingestuft wird, was naheliegt, muss er nicht ausgeliefert werden. Eine Auslieferungsentscheidung verläuft zweistufig. Zunächst prüft ein Oberlandesgericht, ob die Auslieferung rechtlich zulässig wäre. Sollte das bejaht werden, muss im zweiten Schritt die Bundesjustizministerin die Auslieferung bewilligen. Dabei hat sie volles politisches Ermessen.
Die Bundesregierung hat rechtlich also alle Möglichkeiten, Snowden nach Deutschland zu holen und eine Auslieferung zu verhindern. Sie muss nur mutig genug sein, den Konflikt mit den USA auszuhalten. CHRISTIAN RATH