Auch London hört mit

ABHÖRAFFÄRE Auf der britischen Botschaft in Berlin soll ebenfalls Abhörtechnik installiert worden sein. Bundesaußenminister Westerwelle bestellt den Botschafter ein

Wolfgang Bosbach fordert ein No-Spy-Abkommen mit Großbritannien

AUS BERLIN AARON BRUCKMILLER

Nach einem Bericht des Independent befinden sich auch auf der britischen Botschaft in Berlin Abhöranlagen. Auf dem Dach des Gebäudes sei ein weißer Zylinder installiert, der den Überwachungsstationen des britischen Geheimdienstes GCHQ „frappierend ähnlich“ sehe, schrieb das Blatt. Als Reaktion bestellte das deutsche Außenministerium auf Veranlassung von Guido Westerwelle am Dienstagnachmittag den britischen Botschafter ein. Dies gilt als eine der schärfsten diplomatischen Reaktionen.

Das Equipment auf der Botschaft ist laut Independent Teil eines weltweiten Netzwerkes aus Horchposten auf solchen Gebäuden. Auf Luftbildern sei die zeltförmige Abhörstation zu sehen. Damit könnten in Berlin Mobiltelefonie, Internetdaten und Langstreckenkommunikation abgefangen werden. Reichstagsgebäude und Kanzleramt befinden sich in der Nähe der Botschaft und würden daher in die Reichweite der Station fallen.

Von britischer Regierungsseite gab es gestern keine Stellungnahme zu dem Zeitungsbericht: „Keine Auskunft“ zu geheimdienstlichen Aktivitäten – das Büro des britischen Premierministers David Cameron gab sich Dienstag so einsilbig wie die Botschaft in Berlin.

Die Berliner Parteien kritisierten ein mögliches Ausspähen: „Wir müssen künftig auch ins Kalkül ziehen, dass wir von den eigenen Freunden ausspioniert werden, so traurig das ist“, sagte Thomas Oppermann (SPD), der Vorsitzende des für Geheimdienstkontrolle zuständigen Bundestagsausschusses. CDU-Innenexperte Wolfgang Bosbach forderte ein „No-Spy-Abkommen“ mit Großbritannien.

Wenn eine Abhöraktion in diesem Gebiet stattfand, dann richtete sie sich auf Journalisten und Politiker, ist der Grünen-Europaabgeordnete Jan Albrecht überzeugt: „Stellen diese Leute tatsächlich eine Bedrohung dar?“

Auch das Bundesamt für Verfassungsschutz reagierte: Die britische Botschaft sei schon seit Beginn der NSA-Affäre im Visier der damals gegründeten Sonderarbeitsgruppe. „Befreundete Nachrichtendienste werden aber nicht systematisch beobachtet, sondern nur, wenn es Anhaltspunkte gibt“, sagte eine Sprecherin der Nachrichtenagentur dpa. Allerdings würden unregelmäßig alle Botschaften mit Hubschraubern überflogen, aber selbst wenn sie Antennen entdeckten, wäre den deutschen Behörden die Hände gebunden. Es gebe keine rechtliche Möglichkeit zur Durchsuchung.

David Cameron hatte die britische Spionage stets damit verteidigt, dass sie der Nationalen Sicherheit diene. Die Dokumente des nach Moskau geflohenen früheren NSA-Mitarbeiters Edward Snowden legen hingegen nahe, dass zumindest in Italien Wirtschaftsspionage im Auftrag der Briten durchgeführt wurde. Der britische GCHQ und die Dienste von den USA, Australien, Kanada und Neuseeland sind Teil des „Five Eyes“-Bündnisses, in dem sie miteinander geheime Informationen austauschen.

Vor wenigen Tagen erst war bekannt geworden, dass auf der Berliner US-Botschaft Abhörtechnik installiert worden war, mit der das Regierungsviertel ausgespäht worden sein soll. Der Independent meldete nun, die Anlagen auf der amerikanischen Botschaft seien deinstalliert worden. Das Gebäude befindet sich ebenfalls in unmittelbarer Umgebung von Reichstag und Bundeskanzleramt.