Berliner Platten : ZSK zitieren Gitarrenattacken und Mitgröhlrefrains des klassischen Punkrocks, und der Berliner Rapper-Härte fehlt auch der Biss
Ach, die sind süß, diese Punkrocker. Und wir reden nicht von diesen Chartsstürmern, die einer unverantwortlichen Friseuse in die Hände gefallen sind, ihren Bubblegum-Pop seitdem Punk nennen und für die Bravo posieren. Nein, es geht um die klassische, linksradikale und musikalisch die Endsiebziger zitierende Variante, es geht um ZSK. Die haben ihr drittes Album absurderweise „Discontent Hearts And Gasoline“ getauft, obwohl sie Politpunk in der Tradition von Slime spielen, der – bis auf einen Song – natürlich deutsch betextet ist. Lautstark kritisiert das Quartett die „Festung Europa“, versichert „Es ist nie falsch, das Richtige zu tun“ und setzt den Pogromen von Rostock-Lichtenhagen ein musikalisches Mahnmal. Parallel zum Album erscheint die von ZSK initiierte DVD „Kein Bock auf Nazis“, die kostenlos bestellt werden kann (www.keinbockaufnazis.de) und auf der sich Bela B. von den Ärzten, Breiti von den Toten Hosen, Culcha Candela oder die Donots zum Thema äußern. Die Revolution werden ZSK trotzdem nicht auslösen, das wissen sie selbst und gönnen sich auch mal ein Liebeslied. Vornehmlich aber suchen sie nicht nach der richtigen Frau, sondern nach der richtigen Haltung und finden dann immerhin die Worte, um die Gleichgesinnten aufzurichten: „Wenn so viele schweigen, müssen wir noch lauter schrein / Du bist nicht allein!“ Ihr größtes Problem aber ist exakt das des ganzen Genres: Dort hat sich mit den Jahrzehnten eine mittlerweile kaum mehr zu vertuschende Diskrepanz aufgetan zwischen inhaltlicher Radikalität und musikalischen Konservatismus, mit dem diese vertont wird. Daraus finden auch ZSK keinen Ausweg und rekapitulieren nur fleißig die alt bekannten Gitarrenattacken und Mitgröhlrefrains des klassischen Punkrocks. Das Schicksal ereilt jeden einstmals extremen Stil. Auch dem Hiphop, zwischenzeitlich ja irgendwie mal der wahre Punk, wurde längst der Zahn gezogen, selbst dem ortsansässigen Gangsta-Rap, nicht umsonst „Berliner Härte“ getauft: Sido singt mittlerweile Weihnachtslieder und Bushido sorgt sich nur mehr um die Reifen seines BMWs. Die verdienten Kulturarbeiter von Aggro Berlin bringen deshalb zum Studium der Anfangstage eines Phänomens ihre ersten, vergriffenen Compilations heraus, die, so verkündet man stolz, mittlerweile „berühmt berüchtigt“ sind. Und, muss man hinzufügen, aus Gründen des Jugendschutzes auch lange nicht mehr erhältlich waren. Für die Rereleases der Nummern zwei, drei und vier der „Ansage“-Reihe hat man deshalb einige Songs ganz weggelassen, einiges neu arrangiert und allerhand entschärft. Schließlich: Was hat der Geschäftsmann davon, wenn ihm die Ware unter den Ladentisch verbannt wird? Und man kann Aggro ja bekanntlich allerhand vorwerfen, aber nicht, dass sie nichts vom Geschäft verstünden. Hier sind sie also noch mal friedlich nebeneinander zu hören: Bushido und Fler, A.i.d.s. und Sido, wie sie böse Sachen sagen über fremde Mütter. Mittlerweile ist der eine mit dem anderen auch im echten Leben verstritten. Sind sie nicht süß, diese Rapper? Thomas Winkler