piwik no script img

Archiv-Artikel

Krach ums Dach

URTEIL Ob ein weiterer Hausbesitzer in der Region Hannover sein Dach neu decken muss, darüber hat das Verwaltungsgericht verhandelt: Der Bauaufsicht passte die Farbe der Ziegel nicht. In diesem Fall aber entschied der Richter: Das Dach darf bleiben, wie es ist

Von REA

In der Region Hannover wird erneut über anthrazitfarbene Dachziegel gestritten. In diesem Fall entschied sich ein Bauherr im hannoverschen Stadtbezirk Ahlem für eine zu dunkle Ziegelfarbe und sollte sein Dach deshalb neu eindecken. Doch der Bauherr zog gegen die Stadt Hannover vor das Verwaltungsgericht – und bekam Recht.

Ursprünglich wollte die Stadt die Neubauten im Quartier zum Buchengarten farblich an die früher gebauten Häuser im gleichen Neubaugebiet anpassen. Dieses Argument ließ das Gericht nicht gelten: „Einheitlichkeit allein ist kein städtebaulicher Grund, der die Einschränkung der Freiheit der Bauherren rechtfertigt“, erklärt Wiebke Israel, die Sprecherin des Verwaltungsgerichts. Das für den Bauherren positive Urteil ist auf den ersten Blick erstaunlich. Denn das gleiche Gericht – und sogar derselbe Richter – urteilte in einem ganz ähnlichen Fall im Pattensener Ortsteil Hüpede noch im Sinne der örtlichen Bauvorschriften.

Dort führte die Region Hannover einen Musterprozess gegen einen Bauherrn, der sein Dach nicht wie im Bebauungsplan vorgeschrieben rot bis rot-braun gedeckt hatte, sondern in einem dunklen Anthrazitton. Der Hüpeder muss sein Dach nun einfärben oder neu decken. Die Kosten schätzt er auf rund 15.000 bis 20.000 Euro.

Auch in Hüpede soll mit den Dachziegel-Vorschriften ein einheitliches Ortsbild bewahrt werden. Doch hier gebe es einen wichtigen Unterschied gegenüber dem Fall in Ahlem, betont die Sprecherin des Verwaltungsgerichts. Denn das Neubaugebiet solle sich durch die Vorgaben im örtlichen Bebauungsplan an den historischen Ortskern mit rot gedeckten Bauernhäusern und Scheunen anpassen. „Das ist ein städtebaulicher Grund für die Farbvorgaben“, sagt Israel. „Das alte Dorf mit niedersächsischem Gepräge“ solle auch am Ortseingang als solches zu erkennen sein, und das typische Merkmal dafür seien die roten Dächer.

In Ahlem hingegen fehle dieser städtebauliche Aspekt. Die Farbgebung in dem Neubaugebiet sei eher Zufall, denn die Dächer der Neubauten sollten lediglich an die seit 1997 in der ersten Bauphase errichteten Häuser angepasst werden, erklärt Israel. Für deren Dächer habe es im Bebauungsplan keine Vorgaben gegeben. Die Bauträger hatten bei der Farbwahl freie Hand. „Das Baugebiet sieht deshalb heute auch nicht harmonisch aus“, sagt Israel. Neben den in der zweiten Bauphase ab 2006 erlaubten Farben Rot, Rotbraun und Hellgrau gebe es dort auch schwarz gedeckte Häuser und große Solarkollektoren auf den Dächern. „Die Stadt will hier die Dächer an ein einheitliches Bild angleichen, das es so gar nicht gibt.“

Ein weiterer Grund für die Entscheidung des Gerichts seien die unklaren Vorgaben im Ahlemer Bebauungsplan gewesen. „Ist Mausgrau noch Hellgrau?“, fragt die Gerichtssprecherin, „das ist zu unbestimmt.“ Die Stadt Hannover ließ offen, ob sie gegen das Urteil in Berufung gehen wird.  REA