Irans Nachbarländer im Zwiespalt

Mit der Wahl von Präsident Ahmadinedschad hat sich das Verhältnis von Iran zur arabischen Welt erheblich verschlechtert. Einen Krieg gegen Iran unterstützen die Nachbarstaaten aber nicht, auch wenn sie den Griff Teherans zur Atombombe fürchten

AUS KAIRO KARIM EL-GAWHARY

Sie stehen im Atomstreit mit dem Iran derzeit eher im diplomatischen Abseits – und doch befinden sie sich ganz nahe am Spielgeschehen: Irans arabische Nachbarn. Einerseits, so sagt der ägyptische Politologe Mustafa Labbad, würde ein nuklearer Iran in der arabischen Welt durchaus als Gegengewicht zu Israel angesehen, das in der Region derzeit das Atomwaffenmonopol besitzt. Doch Golfstaaten wie Saudi-Arabien fühlten sich von den iranischen Nuklearambitionen ernsthaft bedroht. „Sie sind jetzt schon ein Zwerg neben dem iranischen Riesen und das Missverhältnis droht nun noch größer zu werden“, erklärt er.

Grundsätzlich gilt: Je mehr die arabischen Länder in den Nahostkonflikt mit Israel verwickelt sind, umso positiver sehen sie Irans Nuklearpotenzial; je näher sie sich geografisch am Iran befinden, desto größer ist die Angst. Hisham Yussuf, Sprecher der Arabischen Liga, sagt: „Der Iran hat ein Recht auf ein friedliches Atomprogramm. Sollte Teheran aber ein militärisches Atomprogramm anstreben, dann wären die Araber genauso besorgt wie der Westen.

In einer Umfrage des renommierten „Beiruter Zentrums für Forschung und Information“ antworteten vor kurzem 90 Prozent der befragten Libanesen, dass sie das Recht des Iran auf Nukleartechnologie unterstützen. Über 76 Prozent würden im Falle eines Kriege den Iran, nur 1,6 Prozent die USA unterstützen. Doch in Dubai sagt Mustafa Amalni vom Golf-Forschungszentrum: „Sollte der UN-Sicherheitsrat Sanktionen gegen den Iran beschließen, würden die Golfstaaten dem mit Freude folgen.“ Von den Arabischen Emiraten, zu denen Dubai gehört, kann man an einem klaren Tag die iranische Küste mit bloßem Auge erkennen.

Das Verhältnis der arabischen Golfstaaten zum Iran hat sich seit der Wahl des iranischen Präsidenten Mahmud Ahmadinedschad deutlich verschlechtert. Bei einem Besuch des Emirs von Katar Scheich Jassem Ben Hamad in Teheran kam es letzte Woche gar zu einem öffentlichen Wortwechsel, ob die Wasserstraße zwischen ihren beiden Ländern als „persischer“ oder „arabischer Golf“ bezeichnet werden soll. Versuchte der Emir es mit einem versöhnlichen „beides ist möglich“, bestand der iranische Präsident auf den persischen Beinamen.

Es ist nicht nur Irans Nuklearprogramm sondern auch Irans Nationalismus, der auf der arabischen Halbinsel mit Misstrauen beäugt wird. Die kuwaitische Zeitung al-Siyassah bescheinigte Ahmadinedschad unlängst „pubertäres Verhalten“. Der Politologe Abdel Khalek Abdallah von der Emirati Universität in Abu Dhabi sagt: „Seit Ahmadinedschads Wahl bejubeln die Golfaraber heimlich alle westlichen Versuche, den nuklearen Ambitionen des Iran Einhalt zu gebieten, da niemand dessen Garantien einer nur friedlichen Nutzung vertraut.

Einen Krieg gegen Iran unterstützen die Golfaraber jedoch nicht, meint der saudische politische Kommentator Dawoud al-Schiryan: „Wir wollen nicht, dass der Iran Atomwaffen besitzt und gleichzeitig wollen wir auch nicht, dass dies mit Gewalt verhindert wird“, sagt er. „Alle hier haben den Verdacht, dass eine militärische Konfrontation mit dem Iran nur Israel nützt.“

Die USA würden einen Schlag gegen den Iran vermutlich von ihren Stützpunkten am Golf aus führen. In Bahrain liegt die 5. US-Flotte vor Anker, in Katar befindet sich das Hauptquartier des US-Zentralkommandos in der Region, in Saudi-Arabien der riesige US-Luftwaffenstützpunkt King Sultan und in Kuwait die US-Militärbasen, die bisher für den Nachschub in den Irak sorgen. Ein iranischer Gegenschlag würde sich ziemlich sicher auf die arabische Golfküste richten.

Der Iran kann außerdem jederzeit das Bürgerkriegsszenario im benachbarten Irak anheizen. Eine Konfrontation zwischen Schiiten und Sunniten würde kaum an der Grenze des Irak halt machen. In den letzten Monaten wurden im wieder arabische Stimmen laut, die die Loyalität der schiitischen Bevölkerungsteile in den arabischen Ländern anzweifelten. Arabische Schiiten als Agenten Teherans? Eine weitverbreitete Furcht im arabischen Raum. Der ägyptische Präsident Hosni Mubarak hat vor kurzem gar öffentlich erklärt, dass die arabischen Schiiten sich nicht gegenüber dem Land in dem sie leben, sondern gegenüber ihren Glaubensbrüdern im Iran loyal verhalten würden.