„Biodiesel bremst Ölkonzerne“

Viele SPD-Abgeordnete sind dagegen, dass ihr Finanzminister Steinbrück Biokraftstoffe besteuern will. Energieexperte Scheer erklärt, warum es zur Revolte kommt. Er rechnet mit einer breiten Zustimmung in der SPD-Fraktion für sein Alternativkonzept

INTERVIEW ULRIKE HERRMANN

taz: Herr Scheer, Sie haben eine Revolte gegen SPD-Finanzminister Peer Steinbrück angezettelt und wollen seine Steuerpläne bei Biokraftstoffen verhindern. Laut Medienberichten folgt Ihnen die Mehrheit der SPD-Abgeordneten.

Hermann Scheer: Über genaue Zahlen lässt sich nichts sagen. Es hat noch keine Abstimmung in der Fraktion stattgefunden. Aber es gibt eine sehr breite Zustimmung für ein Alternativkonzept.

Seit 2004 sind alle Biokraftstoffe von der Mineralölsteuer befreit. Inzwischen sind die Ölpreise stark gestiegen – dadurch werden Biokraftstoffe wettbewerbsfähiger. Warum soll man sie weiter stützen?

Es ist nichts dagegen zu sagen, dass Steinbrück den Biodiesel mit 10 Cent pro Liter belasten will. Aber reines Pflanzenöl soll mit 15 Cent pro Liter besteuert werden. Das ist zu viel. Pflanzenöl ist zwar in der Produktion etwas billiger – doch die Umrüstung der Motoren ist teurer.

Eine Gegenrechnung: Vor zwei Jahren hat ein Liter Normaldiesel rund 80 Cent gekostet. Jetzt sind es 1,16 Cent. Warum kann man Biodiesel nicht mit 35 Cent besteuern?

Biokraftstoffe müssen billiger sein, damit die Autofahrer umsteigen. Erst dann kommen neue Motoren auf den Markt und kann ein Biokraftsektor entstehen, der von den großen Mineralölkonzernen unabhängig ist.

Warum sollen Mittelständler besser sein als Mineralölkonzerne? Das klingt nach Wirtschaftsromantik.

Wenige Mineralölkonzerne haben den Markt unter sich aufgeteilt. Sie haben keinerlei Interesse an Innovationen. Wenn Steinbrück vorschreiben will, dass normaler Diesel ab Januar 4,4 Prozent Biodiesel enthalten muss, dann ist klar, was passiert: Die Mineralölindustrie wird billigen Biodiesel etwa aus Indonesien importieren, der aus Palmöl hergestellt wurde. Das ist komplett unökologisch, weil dafür vorher Urwald gerodet wurde.

Sind Sie dafür, Palmölimporte zu verbieten?

Es geht nicht um Importverbote, sondern um ökologisch tragfähige Anbaukonzepte, damit die Biokraftstoffe nicht in die falsche Richtung fahren.

Aber wie wollen Sie verhindern, dass auch die mittelständische Biokraftbranche einfach billiges Palmöl importiert?

Anders als die Mineralölkonzerne kann der Mittelstand die Kostenvorteile der kurzen Wege nutzen. Es entstehen regionale Märkte mit regional angebauten Biokraftstoffen. Im Unterschied zum Öl findet die Wertschöpfung zu 85 Prozent hier statt.

Gibt es nicht einen Zwang zum Import, weil hier die Ackerflächen fehlen? Die Biodiesel-Tankstellen melden längst, dass sie fast ausverkauft seien.

Studien aus den Niederlanden zeigen, dass man allein mit Biogas den Energiebedarf der Hälfte aller Autos decken könnte – wenn alle organischen Reststoffe genutzt würden. Das reicht, denn man braucht für die Ablösung von Erdöl keinen vollen Mengenersatz, sondern einen Dreiklang aus effizienten Motoren, Biokraftstoffen und Elektroantrieben.

Biogas ist unbestritten besonders ökologisch, weil Abfälle weiterverwendet werden. Warum fordern Sie nicht, dass Steinbrück nur Biogas fördert?

Für eine Weg-vom-Öl-Strategie müssen alle Biokraftstoffe genutzt werden.

Aber die Ökobilanz etwa von Bioethanol aus Zuckerrüben ist verheerend. Unter massivem Düngereinsatz wird nur 15 Prozent mehr Energie gewonnen, als vorher eingesetzt wurde.

Die Ökobilanz ist jedenfalls schon jetzt positiver als bei fossilen Kraftstoffen.

5,6 Milliarden Euro soll die Steuer auf Biokraftstoffe bis 2009 bringen. Wie teuer wird es für den Staat, wenn Sie sich durchsetzen?

Nicht teurer. Denn die Biokraftstoffproduzenten und ihre Beschäftigten zahlen auch Steuern und Sozialabgaben.