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Archiv-Artikel

Filme aus dem Archiv – frisch gesichtet

LARS PENNING

Jenseits aller narrativen Zusammenhänge gefallen mir Autofahrten im Kino eigentlich immer gut. Sei es, weil sie – wie etwa in Verfolgungsjagden – die einmalige Bewegung und Dynamik des Kinos so schön verdeutlichen oder weil sie – wie in Roadmovies – Räume erschließen, dabei Kulturen erkunden und gleichzeitig die Figuren charakterisieren. Aber auch die stilisierten Autofahrten sind schön, etwa die offenkundigen Rückprojektionen der alten Hollywoodfilme, die eigentlich nur aus praktischen Erwägungen und Kostengründen so gedreht wurden. Oder wie in Jean-Luc Godards „Pierrot le fou – Elf Uhr nachts“ (1965): Formatfüllend sitzen Jean-Paul Belmondo und Anna Karina da in CinemaScope hinter der Windschutzscheibe, über die ganz einfach in schöner Regelmäßigkeit bunte Lichter huschen. Das passt perfekt zur Stilisierung einer romantischen Abenteuergeschichte, in der Godard einmal mehr das Kino mit den Mitteln des Kinos befragt und das Genre auch über seine Zeichen erklärt: Pistolen, Dynamit, Sportwagen und Esso-Tankstellen, an denen der Tiger in den Tank getan wird. (16.11.–17. 11., Bali)

Ins zweite Jahr geht dieser Tage das Spanische Filmfest, das einmal mehr einen Überblick über die aktuellen Produktionen Iberiens geben möchte und dabei sowohl auf die immer größer werdende spanische Community in Berlin als Interessenten zählen kann als auch auf jene Berliner, die sich für ein Spanien jenseits der touristischen Attraktionen interessieren. Eröffnet wird am 18. November mit Pablo Bergers vielbeachtetem modernen Stummfilm „Blancanieves“, in dem die Geschichte von Schneewittchen im Stierkämpfermilieu neu erzählt wird: Nach einem ersten Mordanschlag der bösen Stiefmutter findet sich Schneewittchen folglich bei einer Gruppe kleinwüchsiger Toreros wieder – was allerdings nicht ganz so spannungsfrei wie im Märchen abgeht … (18. 11.–19. 11., Babylon Mitte)

Im Rahmen der Reihe Filmmakers’ Choice präsentiert die Videokünstlerin Eléonore de Montesquiou im Arsenal „Napoléon“ (1927) von Abel Gance: ein sympathisch größenwahnsinniger Avantgardefilm, in dem Kameras wie Schneebälle durch die Luft fliegen, mit dem Fallbeil der Guillotine in die Tiefe sausen oder mit den Protagonisten herumtanzen und -schaukeln. Beeindruckend ist auch die Verwendung des Polyvision-Verfahrens, eines frühen Breitwand-Experiments, bei dem Gance auf drei Leinwänden wahlweise die Möglichkeit besaß, entweder ein gewaltiges Panorama zu schaffen (die Bilder von Napoléons Italienfeldzug) oder wie bei einem Triptychon das mittlere Bild durch „Seitenflügel“ zu kommentieren. Ein großer künstlerischer Meilenstein aus der Spätphase des Stummfilms. (18. 11., Arsenal 2)