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Archiv-Artikel

CHRISTIAN RATH ZUR GEFORDERTEN ENTNAZIFIZIERUNG DES STRAFGESETZBUCHS Diskutiert nicht lange, macht es

Eigentlich gilt der Grundsatz: Wenn ein neues Gesetz nicht erforderlich ist, dann soll man es sein lassen. Das Leben ist bereits kompliziert genug. Beim Vorschlag Schleswig-Holsteins, den Mordparagrafen im Strafgesetzbuch zu ändern, sollte man aber nicht so puristisch sein. Erforderlich ist die Reform zwar nicht, aber das Motiv ist anerkennenswert und die Änderung schadet auch nicht.

Seit Jahrzehnten lernen Jurastudierende, dass die Formulierung „Mörder ist, wer …“ erst 1941 von den Nazis eingeführt wurde. Sie stehe für die Vorstellung der Nazis, dass „der Mörder“ ein Mensch „von grundsätzlich anderer Wesensart“ sei, quasi der geborene Volksfeind.

Auch wenn die Erwähnung des „Mörders“ historisch so gemeint war, hat sie heute keine Folgen mehr. Dass man eine Person, die einen Mord begangen hat, als „Mörder“ bezeichnet, ist kein spezifischer NS-Sprachgebrauch. Die Formulierung hat keine Suggestivwirkung, die Gerichte dazu bringt, Mörder als Unmenschen zu behandeln. Heute haben auch mutmaßliche Mörder alle prozessualen Rechte und verurteilte Mörder einen Anspruch auf Resozialisierung.

Die von Schleswig-Holstein vorgeschlagene Reform hätte also keine juristischen Folgen: Mord bliebe strafbar, auch wenn „der Mörder“ als Tätertypus gestrichen würde. Dennoch ist der Vorschlag zu begrüßen. Warum soll man Studierenden erklären, dass im Strafgesetzbuch noch Formulierungen mit Nazi-Kontext stecken, wenn man sie auch ändern kann?

Der Bundestag sollte den Vorschlag aufgreifen und ohne lange Diskussion umsetzen. Nur dann hat er eine Chance auf Realisierung. Wer in eine große Reform der neun Mordmerkmale (von der „Heimtücke“ bis zu den „niedrigen Beweggründen“) einsteigen will, schiebt eine Änderung zugleich auf die lange Bank.

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